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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Hunger«, versicherte Steffi, »vielleicht nachher.«
    »Nachher auch nicht«, sagte ich entschieden, als wir wieder im Auto saßen, »unsere Bratkartoffeln kann ich noch selber bezahlen.«
    »Bist du sicher, daß es in dieser Einöde überhaupt welche gibt?«
    Ob der Westerwald schön ist, weiß ich nicht, aber der Wind ist wirklich kalt. Er pfiff nicht nur über die Höhen, er war einfach überall, und den Regen hatten wir vorsichtshalber gleich aus Voerde mitgebracht. Weltuntergangsstimmung.
    »Das ist ja nicht mal ‘n Wetter für Enten«, schimpfte Stefanie, »ich sehe kaum noch etwas. Kannst du das Schild da hinten entziffern?«
    »Zur Waldklause«, las ich.
    »Na, Gott sei Dank, dann kann es nicht mehr weit sein.«
    Vor die Wahl gestellt, ob wir im »Ersten Haus am Platz« Quartier beziehen wollten oder lieber in der Waldklause, hatte ich mich für die Klause entschieden. Das klang nach Tannenrauschen und munteren Rehlein, die durch ebendiese Tannen hüpfen, nach Eichhörnchen vorm Fenster und nach Bachforellen.
    Rund um die Klause rauschte es tatsächlich. Die Regenrinne war kaputt, und das melodische Plätschern auf den asphaltierten Hof begleitete uns später in den Schlaf. Dafür war das Zimmer sehr gemütlich mit richtigen Bauernbetten und handgemalten Herzchen auf den Schranktüren.
    »Ich gehe duschen«, sagte Steffi, »mir ist nämlich kalt.« Vergeblich hatte sie versucht, der alten Dampfheizung einen Hauch von Wärme zu entlocken, aber die pfiff sich bloß eins und erstarb dann mit einem kläglichen Gurgeln.
    »In der einen Nacht werden wir schon nicht erfrieren. Ich schlage vor, wir essen erst mal was, dann geht’s dir sowieso gleich besser, und nachher sehen wir weiter. Wenn bloß die nächsten Stunden schon vorbei wären.«
    Die erste war schnell herum. Der Kachelofen in der rustikalen Bauernstube bullerte Wärme, der Hirschbraten war eine Delikatesse, und das Gespräch mit dem Ehepaar am Nebentisch versickerte infolge Verständigungsschwierigkeiten bald im Sande. Ich glaubte, die beiden wollten uns einen Teppich verkaufen, während Stefanie vermutete, daß es sich bei den in einheimischem Dialekt vorgebrachten Erklärungen um einen Hinweis auf ertragreiche Pilzfundstellen handelte.
    Gerne wäre ich noch sitzen geblieben, aber Steffi klapperte schon ungeduldig mit den Wagenschlüsseln. »Was ich noch sagen wollte… kannst du heute nicht mal was anderes lesen als Tante Klärchen? Die geht mir allmählich ganz schön auf den Senkel.«
    »Mir auch, aber das Kapitel mit Tante Klärchen zieht am meisten und garantiert mindestens vier Lacher.«
    »Ich kann’s nicht mehr hören! Außerdem versprichst du dich immer an derselben Stelle.«
    »Weiß ich auch.«
    »Kann ich nicht wenigstens mein Strickzeug mitnehmen? Ich setze mich auch ganz nach hinten, wo es keiner sieht.«
    »Untersteh dich!!!«
    Herr Bobbeck erwartete uns bereits. Neben ihm stand Frau Bobbeck, die ihren Mann um Haupteslänge überragte und auch sonst dominierte. »Die Regenschirme bitte da drüben in den Ständer, Ihre Mäntel können Sie im Hinterzimmer aufhängen.«
    Jawoll, hier herrschte Ordnung, das sah man sofort. Die Stühle standen alle in Reih und Glied, davor – und zwar akkurat in der Mitte – mein Tisch, dahinter – auch in der Mitte – ein Stuhl mit Lehne. Der Unterricht konnte beginnen.
    Es fehlten bloß noch die Schüler. Fünf waren erst erschienen, die sich möglichst weit nach hinten verteilten. Vorne blieb alles frei. Sicher für die Honoratioren, dachte ich, denn Herr Bobbeck hatte mir erzählt, die heutige Lesung sei die erste überhaupt, die er veranstalte, und dazu habe er alle wichtigen Leute persönlich eingeladen. Die müssen aber was anderes vorgehabt haben, denn die paar Zuhörer, die doch noch hereintröpfelten, mieden die ersten Stuhlreihen und waren somit wohl nicht der Stadtprominenz zuzurechnen.
    Herr Bobbeck stellte mich vor, was gar nicht nötig gewesen wäre, denn inzwischen hatte ich mein großes Auditorium schon einzeln mit Handschlag begrüßt, und dann legte ich los. Tante Klärchen zum viertenmal in dieser Woche. Die erste Passage mit dem garantierten Lacher kam. Keine Reaktion! Na ja, war wohl nicht richtig angekommen. Drei Seiten weiter die nächste Möglichkeit, das Eis zu brechen. Es brach nicht. Himmel noch eins, hörten die denn überhaupt zu? Ich überschlug ein paar Absätze, improvisierte eine Überleitung zum nächsten Gag und rechnete fest damit, daß nun wenigstens einer mal

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