Das hätt' ich vorher wissen müssen
Versicherungskaufmann, war aber in erster Linie Tochter wohlhabender Eltern und als solche an einer beruflichen Karriere nicht sonderlich interessiert. Papa hatte irgendwas mit Außenhandel zu tun, und Mami besaß eine gutgehende Boutique, in die mich Sascha nun unbedingt schleppen wollte, weil man da nur Exquisites bekäme. Ich willigte ein unter der Bedingung, vorher noch einen Streifzug durch andere Geschäfte der Landeshauptstadt machen zu dürfen. Irgendwo mußte sich doch etwas auftreiben lassen, was vielleicht weniger exquisit, dafür aber entschieden billiger sein würde.
Sascha trabte mit, begutachtete Paillettenbesticktes und Gekräuseltes, ließ mich in etwas Fließendes aus Goldlame steigen (es kostete auch nur das monatliche Nettoeinkommen eines mittleren Beamten) und schüttelte immer wieder den Kopf. »Jeannette würde blendend darin aussehen, aber bei dir wirkt es, als hättest du einen Morgenrock an. Dein Jahrgang scheint völlig aus der Mode zu sein.« Prüfend sah er mich an. »Verstehe ich gar nicht, du könntest glatt noch für vierzig durchgehen.«
»Ja, plus Mehrwertsteuer!« sagte ich pampig.
Kurz vor Geschäftsschluß landeten wir dann doch noch vor Mama Jeannettes Boutique. »Glaubst du im Ernst, hier finde ich in einer halben Stunde das, wonach ich seit heute morgen suche?«
In dem einzigen Schaufenster war lediglich ein Jackenkleid dekoriert mit so dezent angebrachten Preisschildern, daß ich sie trotz Brille nicht entziffern konnte. »Was kostet denn dieser Kaftan?«
»Elfhundert. Ohne Gürtel.« Einladend hielt er mir die Tür auf. »Hallo, wir sind da!«
»Wird auch langsam Zeit. Wir warten schon seit zwei Stunden auf euch!« Während Jeannette meinen Sohn umhalste, sah ich mich um. Hellgrauer Veloursboden, ebensolche Wandbespannung, abgeteilte Nischen mit zwei Meter hohen Spiegeln, an den Wänden gutbestückte Kleiderständer hinter Glas. Alles sah sehr gediegen und sehr teuer aus.
Jeannette brachte uns in das angrenzende kleine Büro und machte mich mit ihrer Mutter bekannt, die mich nach der Begrüßung sofort an ihre Verkäuferin weiterreichte. »Da sind Sie in allerbesten Händen.«
Frau Krause, mit Vornamen Trudeliese, kam auch gleich zur Sache. »Sie suchen etwas für den Abend, nicht wahr? Da gehen wir am besten mal dort hinüber.«
Also gingen wir dort hinüber, wo Farbenprächtiges in jeder Länge hing.
»Größe 38?«
»Das war einmal, legen Sie ruhig etwas drauf.«
Sie wickelte mich gerade in rote Lochstickerei, die erst vorgestern aus Peru (!) hereingekommen war, als Sascha mit einem Glas Sekt in der Hand die Kabine betrat. »Hier, damit du nicht aus den Latschen kippst.« Dann besah er mich von oben bis unten und entschied: »Das ziehste am besten gleich wieder aus, sonst verwechselt man dich mit einem Feuerlöscher.« Was ich nur zu gerne tat, denn das Kleid kratzte.
Als nächstes bekam ich einen schwarzen Sack übergestülpt, in dem ich aussah wie Juliette Greco zu ihrer Kellerkneipenzeit, als sie ihre Garderobe noch nicht bei Dior kaufte. Dem folgte honigfarbener Tüll, genau das richtige für Steffi zu ihrem Tanzstundenball, und als ich es mit Seegrün versuchte, blickte mich im Spiegel eine personifizierte Wasserleiche an.
Hektisch suchte Frau Krause weiter. Die hellgraue Seide lehnte ich gleich ab, so was hatte meine Großmutter immer getragen, nachdem sie siebzig geworden war, und für lila Jacquard konnte ich mich erst recht nicht erwärmen.
»Aber Violett ist in diesem Herbst die absolute Modefarbe«, versuchte Trudeliese mir diese Kreation schmackhaft zu machen.
»Schon möglich«, erwiderte ich, »aber die Frauen, die immer mit der Mode gehen, sind meistens solche, die es besser sein lassen sollten. Ich mache mich doch nicht lächerlich!«
Trudeliese war kurz davor, die Contenance zu verlieren, als Jeannettes Mutter sich zu uns gesellte. Immerhin war es gleich sieben, normalerweise hätte sie schon vor einer Stunde die Rolläden heruntergelassen, und nun stand ich noch immer hier und war genauso genervt wie Frau Krause.
»Jeannette, komm mal her!« Jeannette kam und brach in schallendes Gelächter aus, als sie mich in diesem lila Ungetüm sah. »Ist es nicht noch ein bißchen zu früh für Fasching?« Nach kurzem Zögern meinte sie: »Haben Sie schon mal an einen Abendanzug gedacht?«
Hatte ich nicht, ich hatte im Gegenteil total vergessen, daß es so etwas ja auch gab.
»Hier, ziehen Sie das mal an!« befahl sie und reichte mir eine schwarze
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