Das hätt' ich vorher wissen müssen
Seidenhose.
»Die ist viel zu lang«, entschied ich, nachdem ich hineingestiegen war und feststellen mußte, daß sie sich in der Knöchelgegend bauschte.
»Das ist doch gerade der Clou dabei«, mußte ich mir sagen lassen. Na schön, woher sollte ich das wissen? Trudeliese brachte eine weiße Bluse mit Volants vorne. »Rüschen kann ich nicht tragen!« schrie ich entsetzt, aber es half nichts, ich mußte hinein, wurde vor den Spiegel geschoben und kam mir vor wie der Page aus dem Rosenkavalier.
»Obenrum muß noch was hin«, überlegte Jeannette, »ein Samtjäckchen vielleicht.«
»Da haben wir etwas!« Aus einem Schrank holte Frau Krause ein ärmelloses schwarzes Bolero, über und über mit Goldfäden bestickt.
»Was soll denn das sein? Die Ausgehuniform für Bundeswehrgeneräle?« Hinterher mußte ich zugeben, daß dieses Kleidungsstück angezogen weniger bombastisch aussah als auf dem Bügel. Jetzt konnte ich mich sogar mit der Rüschenbluse anfreunden, weil sie wirklich zu diesem Aufzug paßte.
»Irgend etwas fehlt immer noch«, grübelte Jeanettes Mutter, »ich weiß bloß nicht, was.«
»Vielleicht ein Gürtel?« schlug ich zaghaft vor.
»Genau das ist es!«
Allerdings hatte ich nicht an eine zehn Zentimeter breite Dekoration gedacht, die nicht nur ebenfalls goldbestickt, sondern darüber hinaus auch noch mit bunten Glassteinen besetzt war. Das Ding wog mindestens ein Pfund, die goldenen Quasten am Verschluß nicht mitgerechnet.
»Unmöglich!« sagte ich sofort.
Aber so unmöglich sah der Gürtel gar nicht aus, als ich ihn mir endlich umgewürgt hatte. Genaugenommen war er sogar das Tüpfelchen auf dem i.
»Phantastisch!« sagte Jeannette.
»Großartig!« sagte ihre Mutter.
»Ganz entzückend«, sagte Frau Krause.
Nun wurde Sascha zur Begutachtung geholt. Er hatte inzwischen die Sektflasche geleert und eine zweite angebrochen. »Seid ihr endlich fertig? Oder habt ihr bloß aufgehört, weil ihr mit der Kollektion durch seid?« Dann gab er jedoch zu, daß sich der Zeitaufwand gelohnt habe. »Doch, Määm, so kannste dich sehen lassen.« Was bei seinen sonst eher sparsamen Beifallsäußerungen höchstes Lob bedeutete.
Schon während der Anproben hatte ich immer wieder verstohlen nach den Preisetiketten geschielt, aber sie hingen alle dort, wo ich nicht rankam. Trotzdem war mir klar: Das gesetzte Limit von dreihundert Mark würde niemals reichen.
Frau Krause bemächtigte sich meiner neuerworbenen Garderobe und wickelte sie einzeln in Seidenpapier. Während sie nach einem passenden Karton suchte, wurde ich noch einmal ins Büro komplimentiert, wo wir den erfolgreichen Einkauf mit einem weiteren Glas Sekt begossen. Frau Krause bekam auch eins, als sie die Rechnung brachte.
»Wieviel hast du denn nun auf den Kopf gehauen?« wollte Sascha wissen.
Ich sah kurz auf das Papier und – bekam einen Hustenanfall. Das konnte doch wohl nicht wahr sein?!! Solch eine astronomische Summe für diese paar Fummel, auch wenn sie aus Seide waren und bestickt. »Alles Handarbeit«, hatte Trudeliese versichert, aber wenn schon, die Stundenlöhne für Heimarbeiter waren doch bekanntermaßen miserabel. Und jetzt sollte ich allein für diesen albernen Gürtel soviel hinblättern wie für zwölf Packungen Persil? Das kam ja überhaupt nicht in Frage!
»Na siehste, ist doch gar nicht so aufregend«, sagte mein Sohn, seiner derzeitigen Schwiegermutter zuzwinkernd, »wieviel Freundschaftsrabatt fällt denn noch ab?«
»Die fünf Prozent habe ich schon berücksichtigt«, beeilte sich Frau Krause zu sagen.
Und trotzdem blieb noch so viel übrig? Das machst du sofort wieder rückgängig, beschloß ich im stillen, für diesen Betrag kriegst du ja den Mikrowellenherd, den du schon so lange haben willst, und darüber hinaus das passende Geschirr. Sogar noch was übrigbleiben würde von dem Geld, das du dir jetzt in Form von eigentlich ganz überflüssigen Klamotten anhängen sollst, nur um damit einen Abend lang auf High-Society zu machen! Bleib gefälligst auf dem Teppich, liebe Evelyn, und zieh doch lieber das schwarze Trauerkostüm an.
Aber dann traute ich mich ganz einfach nicht mehr! Zwei Stunden lang hatten sich drei Leute um mich bemüht, hatten das Unterste zuoberst gekehrt und wirklich alles versucht, mich zufriedenzustellen, und jetzt, wo sie’s endlich geschafft hatten, sollte ich sagen: Nein danke, aber hätten Sie es nicht ein bißchen billiger?
So füllte ich zähneknirschend den Scheck aus und schwor einen
Weitere Kostenlose Bücher