Das hätt' ich vorher wissen müssen
in roten Druckbuchstaben: Mein erstes Rundfunkinterview.
»Hast du das etwa aufgenommen?« Wütend kurbelte ich das Fenster herunter, warf die Kassette hinaus und sah mit Befriedigung, wie der hinter uns fahrende Möbelwagen sie platt walzte. »Ich bin nicht Goethe und lege deshalb auch keinen Wert darauf, daß jedes meiner Worte der Nachwelt erhalten bleibt.«
Zwei Tage später wurde ich bei meiner Rückkehr ins traute Heim von Glenn-Miller-Musik empfangen und mit den Worten begrüßt: »Auch heute haben wir wieder einen Gast bei uns im Studio…«
Herr Scholz hatte mit freundlichen Grüßen einen Mitschnitt des Interviews geschickt.
7
»Jetzt bist du wirklich wer!« Augenzwinkernd überreichte mir Rolf die goldbedruckte Einladung. Verlegers gaben sich die Ehre, Frau Evelyn Sanders nebst Gemahl zu dem anläßlich der Buchmesse stattfindenden spätabendlichen Empfang einzuladen. Beginn 22 Uhr. U. A. w. g.
»Was soll ich denn da? Ich kenne doch keinen Menschen.«
»Eben deshalb mußt du hin! Wie sollst du sonst jemanden kennenlernen?«
»Und wen müßte ich deiner Meinung nach kennenlernen?«
»Leute.«
»Ist doch Quatsch! Ich bin kein Werbeberater wie du, der sich auf solchen Veranstaltungen neue Kunden sucht. Kann ich auch gar nicht, denn etwaige Leser lassen die doch sowieso nicht rein, dazu ist dieser Auftrieb viel zu exklusiv. Frankfurter Hof, und dann auch noch abends um zehn. Kannste abhaken! Und überhaupt hätte ich gar nichts anzuziehen.«
Er grinste. »Das dürfte wohl der springende Punkt sein. Dann kauf dir doch irgend so einen Fummel, du kannst es dir doch jetzt leisten!«
Ich zögerte. »Paßt dir dein Smoking noch?«
Entschiedenes Kopfschütteln. »Nee, der war mir schon vor drei Jahren zu eng.« Etwas wehmütig sah er an sich herunter. »Wenn man bedenkt, daß eine Eiche hundert Jahre dazu braucht… Warum fragst du überhaupt?«
»Weil die Einladung auch für dich gilt.«
»Weiß ich, und ich würde sogar mitkommen, aber vom Zehnten bis zum Vierzehnten ist diese Tagung in Amsterdam, da muß ich hin. Tut mir leid, Schatz, du wirst dir einen anderen Begleiter suchen oder allein gehen müssen. Ruf doch mal Felix an, vielleicht übernimmt der die Rolle deines Gemahls. Mich hat doch von deinem Verein noch niemand gesehen, also kannst du jeden x-beliebigen als Strohmann vorschieben.«
»Du bist wohl verrückt? Felix in der Rolle eines Vaters von fünf Kindern! Der verquasselt sich doch schon nach den ersten drei Sätzen.«
»Dann stellst du ihn eben als Hausfreund vor. Das ist er ja nun wirklich.«
»Und mache mir damit mein Image als untadelige Ehefrau und Mutter kaputt! Was glaubst du, wie die sich hinterher alle die Mäuler zerreißen!«
»Na, sooo prominent bist du nun auch wieder nicht!«
Damit hatte er natürlich recht, aber mit einem getürkten Ehemann wollte ich denn doch nicht aufkreuzen. Dabei wäre der wirklich harmlos und über jeden Zweifel erhaben gewesen.
Felix war seinerzeit von Rolf in die Ehe eingebracht worden, im Laufe der Jahre vom Trauzeugen zum Patenonkel aufgestiegen, gelegentlich zum seelischen Mülleimer degradiert worden, hatte tatkräftig bei unseren ersten Umzügen mitgeholfen, so manche Silvesterparty mit uns durchgestanden und seine diversen Freundinnen angeschleppt, bis er endlich geheiratet hatte und in Düsseldorf seßhaft geworden war. Wir sahen uns nur noch selten, aber als wahrer Freund ist er immer zur Stelle, wenn er uns braucht!
Trotzdem konnte ich mich nicht so recht für die Idee begeistern, mit ihm als Seitendeckung in den Frankfurter Hof zu marschieren und ihn als wen auch immer Verlegers zu präsentieren. Felix ist ein sehr unkonventioneller Mensch, der jede Art von Garderobenzwang haßt, zu seiner Hochzeit im geliehenen Frack antrabte, sofort nach der kirchlichen Zeremonie den Schwalbenschwanz über die Stuhllehne hängte und den Rest des Tages in einer senffarbenen Strickjacke verbrachte.
Er schied also aus, und weil ich nicht als Single zu diesem Empfang gehen wollte, beschloß ich, überhaupt nicht zu gehen. Womit sich auch das Problem des nicht vorhandenen Abendkleids erledigte.
Es war so lange erledigt, bis Sascha zu seiner Bundeswehrwochenendfreizeit nach Hause kam, die Einladung entdeckte und sofort wissen wollte, ob sein Vater mitgehen werde.
»Nein, und ich auch nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Zu so was geht man entweder mit Mann oder gar nicht. Also gehe ich gar nicht.«
»Du bist wirklich ätzend intro!«
»Was bin
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