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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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alles untergebracht werden kann. Schwierig wird es nur, wenn jemand etwas herausholen oder gar -suchen muß, dann geht der Vorhang in die Waagerechte.
    Je mehr Zuschauer sich vor einem Stand zusammenballen, desto mehr Bedeutung wird ihm zugeschrieben. Wer einen möglichst durch Film oder Fernsehen bekannten Autor vorzuweisen hat, ist fein heraus. Wer damit nicht aufwarten kann, läßt sich etwas anderes einfallen. Zum Beispiel einen Crepes-Bäcker, der hauchfeine Pfannkuchen herstellt und dabei auf die rundherum drapierten Kochbücher hinweist. Oder zwei lebende Marionetten, deren Bewegungen mich immer an die Bärenfellmützengarde der englischen Königin erinnerten.
    Vor einigen Jahren gab es bei uns am Stand einen Fernseher mit Videogerät, über den pausenlos die ersten zehn Sendeminuten der »Schwarzwaldklinik« flimmerten – unübersehbarer Hinweis auf das gleichnamige Buch. Sobald der Kurzfilm zu Ende war, spulte er automatisch zurück und begann wieder von vorne. Die erhoffte Wirkung blieb auch nicht aus. Menschenmengen stauten sich vor dem Kasten, aber die Standbesatzung war schon nach ein paar Stunden mit den Nerven am Ende. Unentwegt dieselbe Melodie, unentwegt dieselben Dialoge, unentwegt Klausjürgen Wussows väterlichgütiges Lächeln… nachts erschien er mir als Alptraum!
    Dabei wäre dieser Blickfang gar nicht nötig gewesen, denn wir hatten ja Cleo. Endlich mal jemand, mit dem auch weniger belesene Messebesucher etwas anfangen konnten. Cleo machte Filme, Cleo machte Fernsehen, und nun schreibt Cleo auch noch Bücher. Großartig! Her mit ihr!
    Ich hatte sie am vorangegangenen Abend auf der traditionellen Mittwochsparty kennengelernt und war gleich ins Fettnäpfchen getreten, weil ich mit ihrem Namen nichts anfangen konnte. Nördlich des Weißwurstäquators nimmt ihr Bekanntheitsgrad etwas ab, außerdem gehöre ich zu jener mittelalterlichen Generation, die noch Gary Cooper angehimmelt hat und nicht Sascha Hehn – kurz und gut, ich mußte mir erst erklären lassen, wer da vor mir stand. Und das war wirklich beeindruckend: Minirock, respektable Oberweite, Haare fast bis zu den Hüften, nicht eben dezent geschminkt – ein Covergirl, aber ein recht dekoratives.
    Wir wechselten die üblichen Banalitäten und sahen uns erst am nächsten Vormittag auf dem Stand wieder. Dort erfuhr ich, daß wir beide im selben Hotel wohnten, einer jener reibungslos funktionierenden Hochhausbettenburgen ›außerhalb‹, und ob es mir etwas ausmachen würde, Cleo ein bißchen unter meine Fittiche zu nehmen. Sie sei nicht motorisiert, käme immer mit dem Taxi, was auf die Dauer doch etwas zu kostspielig würde, und überhaupt wäre es angebracht, wenn man ein wachsames Auge auf sie habe. Sie sei nun mal ein lebenslustiger Typ, eben eine Künstlerin, und als solche auch mit den negativen Eigenschaften behaftet, die man dieser Menschengattung nachsagt: Nicht gerade zuverlässig, nicht gerade pünktlich und – na ja – eben lebenslustig.
    Auf gut deutsch hieß das: Nimm sie abends mit ins Hotel, sorg dafür, daß sie auch dableibt und nicht ausbüxt, und bring sie am nächsten Morgen ausgeschlafen wieder zurück.
    Diese Rolle war neu für mich. Babysitter bei einem späten Teenager irgendwo zwischen dreißig und fünfunddreißig hatte ich noch nie gespielt, und so ließ ich mich bereitwillig als Kindermädchen verpflichten.
    Der erste Abend verlief ereignislos. Wir speisten ausgiebig im Hotel und gingen früh schlafen. Im Lift nach oben meinte Cleo: »Nun kennen wir uns doch schon so lange, da könnten wir eigentlich ›Du‹ sagen.«
    Erst schluckte ich trocken, dann nickte ich. »Aber sicher.« Wie war das doch noch? Künstler haben ihre eigenen Gesetze.
    Auch am nächsten Morgen war sie auf die Minute pünktlich im Frühstückszimmer, diesmal in hochgeschlossenem schwarzen Leder.
    »Nanu, heute bis zum Adamsapfel eingenäht?«
    »Im Moment muß ich ja nicht mein Image verkaufen. Nachher ziehe ich den Reißverschluß bis zum Bauchnabel auf.« Was sie auch sofort demonstrierte. Der Herr am Nebentisch bekam beim Anblick des winzigen Suntops Kulleraugen.
    »Weißt du, eigentlich bin ich ja gar nicht so, wie ich aussehe.« Sie ließ Honig auf ihr Brötchen tröpfeln und sah mich mit lammfrommer Unschuldsmiene an. »Zu Hause in München erkennt mich kein Mensch auf der Straße, aber hier muß ich mich ja so aufmotzen. Die Leute erwarten das.«
    »Welche Leute?«
    »Na, die Jungs von der Presse und vom TiWi. Die kennen mich aus

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