Das hätt' ich vorher wissen müssen
den Titel. »Das mach ich doch mit links! Da haben Sie mal was Vernünftiges geschrieben. Normale Leute wissen ja gar nicht, was wir Linkshänder für Schwierigkeiten im ganz gewöhnlichen Alltag haben.«
Nur mühsam konnte ich mir das Lachen verbeißen, obwohl die Dame, über ihren Irrtum aufgeklärt, mit ihrer Empörung nicht hinter dem Berg hielt. »Das ist ja richtiger Betrug! Unter dieser Überschrift erwartet man doch ganz etwas anderes!«
Zu meiner Rechtfertigung muß ich allerdings sagen, daß sie die erste und bisher auch die einzige war, die hinter dem Titel einen praktischen Leitfaden für Linkshänder vermutete.
Gegen Ende der Signierstunde rückte der Herr Abteilungsleiter mit dem Gästebuch an. Ich hasse Gästebücher, habe selbst nie eins besessen und jedesmal einen Horror vor dem großen weißen Blatt, auf das ich etwas möglichst Originelles schreiben soll. Von einer Autorin heiterer Bücher wird das erwartet, auch wenn ihr bei solchen Gelegenheiten grundsätzlich nichts einfällt. Mir fiel auch diesmal nichts ein außer der üblichen Danksagung, aber beim Durchblättern des gewichtigen Buches stellte ich fest, daß Rosi Mittermeier und Reinhold Messner auch nichts anderes eingefallen war.
Für die Rückfahrt brauchten wir zweieinhalb Stunden, von denen wir anderthalb im Stau hingen. Cleo hatte sich neben mir auf dem Rücksitz zusammengerollt und schlief. Ich las derweil mit zunehmendem Vergnügen in ihrem Buch, das sie mir mit vielen Grüßen und Bussis gewidmet hatte. Normalerweise hätte ich es nach den ersten Seiten wieder zugeklappt, weil ich für Liebesgeschichten nicht allzuviel übrig habe. Aber nun kannte ich Cleo schon recht gut und merkte, daß sie ihre Herzschmerz-Story wirklich mit (Pardon!) ihrem Herzblut geschrieben hatte. Ohne Rücksicht auf Stil und Grammatik sprudelte sie die Geschichte heraus, himmelhoch jauchzend, im nächsten Kapitel zu Tode betrübt, normale Menschen gibt es überhaupt nicht, alle Typen sind irgendwo ausgeflippt – ähnlich chaotisch muß sich wohl doch ihr Alltag abspielen, obwohl sie bei jeder Gelegenheit das Gegenteil behauptet. Cleo, das nimmt dir ja doch keiner ab!
Am Abend hatte sie ihre Talkshow. Nicht nur in meiner Eigenschaft als Chauffeur und Gouvernante trabte ich mit, mich interessierte ebensosehr der Ablauf dieses Spektakels, denn am nächsten Tag war ich für einen ähnlichen Auftritt vorgesehen.
In einem großen Einkaufszentrum hatte eine Frankfurter Zeitung während der Messewoche ein Bretterpodest aufgebaut, mit Mikrofonen bestückt, und war nun bemüht, täglich acht Stunden lang ein Nonstop-Programm abzuziehen. Die Darbietungen reichten von Seiltänzern und Clowns bis zum kompletten Straßentheater. Dazwischen gab es Musik und natürlich Interviews, hauptsächlich mit Autoren, davon liefen ja zur Zeit genug herum. Vor der improvisierten Bühne waren Tische und Bänke aufgestellt, die je nach Tageszeit und Witterung von kaum besetzt bis rammelvoll waren. Für zwei Mark gab es Erbsensuppe, Würstchen mit Pommes waren teuer.
Ich bestellte Äppelwoi, jenes hessische Nationalgetränk, das mir bereits von vielen Nicht-Hessen als kaum genießbar und mit fürchterlichen Folgen behaftet geschildert worden war, und auf dessen Genuß ich aus ebendiesen Gründen bisher verzichtet hatte. Bei diesem Entschluß hätte ich auch bleiben sollen! Als sich nämlich der aber schon sehr rundliche Herr am anderen Ende niederließ und mit seinen zwei Zentnern das sorgfältig ausbalancierte Gleichgewicht der Bank zu seinen Gunsten verschob, fand ich mich unversehens zwanzig Zentimeter über dem Boden wieder und rutschte mit zunehmender Geschwindigkeit auf den dicken Prellbock zu. Wie Äppelwoi schmeckt, weiß ich noch immer nicht, aber dafür weiß ich, daß sich seine Flecken nur schwer aus Mohairpullovern entfernen lassen. Deshalb habe ich auch von Cleos Interview nichts mitgekriegt, denn während sie da oben talkte, zwängte ich mich durch die Menschenmassen bei Woolworth auf der Suche nach Wollwaschmittel.
Mit meiner rosa Flasche unterm Arm kehrte ich zurück und bekam gerade noch den Schlußapplaus mit. Das Interview war gelaufen. Cleo auch. Und zwar weg. Nach längerem Suchen fand ich sie neben dem Übertragungswagen, wo sie fröhlich weitertalkte. Diesmal inoffiziell. Mit ihrem Interviewpartner. Ich mußte zugeben, daß er blendend aussah, und offenbar fand Cleo das auch. Ziemlich unwirsch reagierte sie auf mein verstohlenes Winken. »Moment noch, ich
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