Das hätt' ich vorher wissen müssen
erst das Feld, nachdem sie mein Zimmer in eine hellgrüne Wiese verwandelt hatten. Sogar die Fußabdrücke waren kleiner, der mit Größe 46 war nicht mitgekommen.
»Morgen um sieben sind wir wieder da, und spätestens um elf ist das Wohnzimmer fertig.«
»Sieben Uhr abends?« fragte ich vorsichtshalber.
»Morgens natürlich. Oder sind Sie da noch nicht auf?«
Ich hoffte nur, daß mein Blick verachtungsvoll genug war.
Das Puzzlespiel nahm seinen Fortgang. Stefanies Zimmer war fast aufgebaut, Kleinigkeiten wie das Einsetzen von Schranktüren, das Ankleben von Zierleisten und ähnlich unwichtiger Zubehörteile wurde auf später vertagt, wir schleppten erst einmal Geschirr und Gläser nach oben und füllten damit jeden Winkel in Steffis Zimmer. Rationell war diese Methode nicht, morgen würden wir alles wieder runterbringen müssen, aber wir brauchten Platz. Lediglich Rolfs Zimmer blieb verschont. Angeblich mußte er arbeiten. Zu diesem Zweck hielt er sich auch weitgehend außerhalb des Hauses auf.
Zum erstenmal schlief ich auf meiner neuen Liege, dem einzigen Möbel, das nicht montiert werden mußte, und stellte fest, daß sie quietschte. Ihr Pendant im Möbelgeschäft, auf dem ich probegelegen hatte, hatte nicht gequietscht. Das Ding quietscht übrigens heute noch, und ich bin die einzige im Haus, die sich daran gewöhnt hat.
Viereinhalb Stunden dauerte es, bis mein Kleiderschrank stand. Nach drei Stunden und fünfzig Minuten war auch das Regal fest verankert. Für den Schreibtisch benötigten die beiden Experten nur noch knapp zwei Stunden, den kleinen Tisch schafften sie sogar in der Rekordzeit von dreiundzwanzig Minuten. Nur für den Sessel brauchten sie wieder länger, weil er bei der ersten Sitzprobe zusammengebrochen war. Die Monteure hatten einige Schrauben übrigbehalten und sich dahingehend geeinigt, daß sie offensichtlich als Reserve gedacht waren. »Wenn ich mir ‘ne Hose kaufe, kriege ich auch immer einen Ersatzknopf mit«, war Saschas logische Begründung gewesen.
Inzwischen war Donnerstag und die Frist abgelaufen, bis zu der ein deutscher Arbeitnehmer auch ohne ärztliches Zertifikat seinem Betrieb fernbleiben kann. Sven wurde zunehmend unruhiger, was sich an den schief eingeschlagenen Nägeln bemerkbar machte. Bevor er sich eventuell selbst verstümmelte, mußte etwas geschehen. Unsere Hausärztin hatte seine Entwicklung von den Masern bis zum Sehtest für den Führerschein kontinuierlich verfolgt und war auch jetzt in der Lage, eine passende Krankheit zu diagnostizieren, obwohl der Patient weder rauchte noch trank und auch kein Übergewicht hatte. »Sehnenscheidenentzündung im linken Handgelenk« schrieb sie ins Attest, das ich per Eilboten abschickte. Sven konnte weiterschrauben.
Die beiden oberen Stockwerke waren halbwegs wieder bewohnbar, wenn man davon absah, daß sich in der Badewanne nun das Geschirr stapelte und rundherum der transportable Teil des Wohnzimmermobiliars. Sascha hatte die Entfernung sämtlicher Gegenstände gefordert, die nicht zu seinem Puzzle gehörten. Er saß inmitten von langen Brettern, ganz langen Brettern, kurzen Brettern, quadratischen Brettern und Bergen von Schrauben, Dübeln, Häkchen und studierte die Montageanleitung. »Das ist ja wieder ein ganz anderes System!«
»Sonst wäre es auch langweilig«, behauptete Sven, »aber schade ist es doch, daß die niedlichen kleinen Männchen nicht mitgeliefert werden, die sie hier überall hingemalt haben. Bei denen sieht das alles ganz einfach aus.«
»Ist es ja auch, man muß bloß erst mal wissen, wie.«
»Das dauert mir zu lange. Ich werde ein bißchen mitspielen.« Immerhin hatte ich im Laufe meines fast fünfundzwanzigjährigen Hausfrauendaseins schon Stecker repariert, Nägel in die Wände geschlagen und Fahrradschläuche geflickt. »Gebt mir mal einen Bausatz für die Schubkästen her!«
Wider Erwarten hörte ich keinen Protest. Offenbar hatten die Jungs auch allmählich die Nase voll und waren für jede Mitarbeit dankbar, selbst für die einer so unqualifizierten Person wie ihrer Mutter.
Im übrigen war die Sache ganz einfach. Man fügte Teil A mit Teil B rechtwinklig zusammen, vorausgesetzt, man fand die weggerollte Schraubenmutter wieder, setzte Teil C dran und versuchte, Teil D in die vorgestanzten Löcher von A und C zu kriegen. Was machte es schon, daß dabei ein kleiner Zacken abgebrochen war, viel brauchte der Kasten nicht zu halten, das Silber konnte ich später auch in einen anderen
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