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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Sohn Wert darauf legen würde. Selbst in dieser Hinsicht gibt es bei uns keine Familientradition, was uns jeder Verpflichtung enthebt, sie weiterhin aufrechtzuerhalten. Wie enttäuschend wäre es doch, wenn einer der Nachfahren von der ihm quasi vorgeschriebenen Bahn abweichen würde. Ich bin jedoch überzeugt, daß Ihnen ein derartiges Fiasko erspart bleiben wird. Mit freundlichen Grüßen
    Seitdem habe ich nie wieder etwas von dem Freiherrn gehört!
    Die meisten Leserbriefe machen aber ganz einfach nur Freude. Da bedankt sich eine ältere Dame für »die vergnüglichen Stunden, die ich im Kreise Ihrer Familie verbracht habe«. Ihre eigenen Kinder seien im Ausland verheiratet, die Enkel kenne sie kaum, für eine Siebzigjährige seien lange Reisen zu anstrengend.
    Ein junges Mädchen befürchtete, mir könne der Stoff für weitere Bücher ausgehen, und bot mir leihweise ihren sechzehnjährigen Bruder an, der sei für mindestens zwei neue Manuskripte gut.
    Ein anderer Teenager schrieb sich seinen ganzen Frust vom Leib einschließlich des letzten Krachs mit dem Freund und wollte nun von mir wissen, ob es mit »diesem Hallodri« überhaupt noch Zweck habe. Nun bin ich wirklich keine gelernte Psychologin, und als Briefkastentante hatte ich mich auch noch nie versucht; darüber hinaus weiß ich aus Erfahrung, daß man immer nur dann Rat bei anderen sucht, wenn man die einzige Lösung schon kennt, aber nichts davon wissen will. Ich nahm mir trotzdem die Zeit, dem verunsicherten Wesen einen ausführlichen Brief zu schreiben, und habe mich riesig gefreut, als ich einige Zeit später die Verlobungsanzeige bekam.
    Amüsiert habe ich mich auch über das Schreiben eines Frankfurter Floristen. Weshalb ich denn ausgerechnet ihm unterstellen würde, verwelkte Blumentöpfe auszuliefern? Erst durch einen Anruf von der Innung sei er überhaupt auf diese offensichtliche Diskriminierung aufmerksam gemacht worden.
    In diesem Zusammenhang sollte ich vielleicht erwähnen, daß ich die Namen in meinen Büchern überwiegend aus Telefonverzeichnissen verschiedener Großstädte zusammensuche, und nun hatte es der Zufall gewollt, daß in Frankfurt tatsächlich ein Geschäft mit dem gleichen Namen existiert wie mein vermeintlich fiktives Blumenhaus. Nachdem ich den Irrtum aufgeklärt und angeboten hatte, auch die Innung zu unterrichten, bekam ich sogar noch einen sehr netten Antwortbrief.
    Mein erster richtiger Fan war aber zweifellos Michael. Eines Morgens klingelte das Telefon, und eine jugendliche Stimme, zwischen Bariton und Falsett schwankend, wollte von mir wissen, ob ich die kinderreiche Mutter sei. Das konnte ich kaum abstreiten. »Na endlich«, piepste die Stimme, »ich suche Sie schon seit zwei Tagen.«
    »Warum denn das?«
    »Weil mir Ihre Bücher so gut gefallen haben.«
    »Aber das hätten Sie mir doch auch schreiben können«, lachte ich.
    »Sie können ruhig du zu mir sagen, ich heiße Michael und bin erst fünfzehn. Und schreiben konnte ich nicht, weil ich Ihre Adresse nicht hatte.«
    »Der Verlag leitet jeden Brief weiter. Verrate mir lieber mal, wie du an meine Telefonnummer gekommen bist?«
    Michael hatte sich eine Wanderkarte des Landkreises Heilbronn besorgt und anhand der spärlichen Angaben in meinen Büchern herauszufinden versucht, wo denn nun unser Domizil sein könnte. Natürlich suchte er vergebens nach einem Bad Randersau, entdeckte aber einen Kurort, der so ähnlich klang. Dann kam das Telefonbuch an die Reihe, nur war darin keine Familie Sanders verzeichnet. Durch Kriminalromane und ähnlich lehrreiche Lektüre geschult, kombinierte Michael messerscharf, daß bei vielen Pseudonymen häufig nur der Nachname geändert wird, der Vorname jedoch bleibt. Also ging er das gesamte Telefonverzeichnis Spalte für Spalte durch und rief jede Evelyn an. Schon nach dem vierten Versuch wurde er fündig. Sein Glück, daß ich nicht Gisela oder Erika heiße.
    Michael wollte wissen, woher ich den Stoff für meine Bücher nehme, wie man Schriftsteller wird, wann der nächste Roman erscheint, warum ich in seinem Heimatort noch keine Lesung gehabt hätte, wollte ein Autogramm und gleichzeitig die Versicherung, daß er mich auch ganz bestimmt nicht nerve. Das solle ich dann ruhig sagen.
    Irgendwie machte mir der Bursche Spaß. Für einen Fünfzehnjährigen gehört schon eine ganze Menge Courage dazu, sich einfach an die Strippe zu hängen und jemanden anzurufen, den man nicht kennt und dessen Reaktion man nicht vorhersagen

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