Das hätt' ich vorher wissen müssen
geworden bist«, lachte sie. »Buletten heißen bei uns die weiblichen Straßenhyänen, die die Strafzettel verteilen, also die Pendants zu den Bullen.«
16
Der Abend hatte erst in den frühen Morgenstunden geendet, als wirklich kein Tropfen mehr aus den Weinflaschen herausgekommen war, und entsprechend munter fühlte ich mich auf dem Weg zur zweiten Autogrammstunde. Der Nieselregen trug nicht zur Stimmungsförderung bei.
Die Buchhandlung lag irgendwo nahe dem Funkturm an einer vierspurigen Straße. Zwei Fahrbahnen waren wegen Bauarbeiten gesperrt. Wir balancierten über Bohlen und Bretter und wären beinahe mit dem Preßluftbohrer kollidiert, der gleich neben der Ladentür herumtanzte.
»Haben Sie denn überhaupt einen Parkplatz gefunden?« jammerte die Buchhändlerin. »Heute früh haben sie angefangen, die halbe Fahrbahn aufzureißen. Hätte ich das bloß vorher gewußt, dann hätte ich den Termin verlegen können, aber nun war es zu spät. Ich fürchte, das gibt einen Reinfall.«
Es wurde auch einer! Ganze drei Kunden kämpften sich über Sandhügel und vom Regen glitschige Bretter in den Laden, und dann wollte einer bloß ein Kochbuch haben. Wir verbrachten eine ausnehmend ruhige Stunde, die so gar nicht mit der Hektik des gestrigen Nachmittags zu vergleichen war. Autogramme habe ich trotzdem geschrieben. Auf Vorrat. Das sind die Bücher, die später schön sichtbar auf den Ladentisch getürmt werden und eine breite Bauchbinde tragen: Vom Autor signiert. Angeblich werden sie gern zu Geschenkzwecken gekauft. Mir konnte es nur recht sein, obwohl ich ernsthaft bezweifelte, daß dieser große Stapel, in den ich unermüdlich meinen »Künstler«-Namen schrieb, Interessenten finden würde.
»Spätestens am Heiligen Abend ist das letzte Exemplar weg«, prophezeite Frau Liebetraut. Jetzt hatten wir Mai. Ich wettete dagegen und mußte zum Jahresende eine Flasche Champagner nach Berlin schicken.
»Immerhin sind wir zwei Bücher im Direktverkauf losgeworden«, sagte Frau Maibach tröstend, »das sind zweihundert Prozent mehr als damals in Kaiserslautern. Oder können Sie sich nicht mehr erinnern?«
Und ob ich konnte! Am Gründonnerstag war es gewesen, weil die Geschäftsleitung des Kaufhauses sich wohl im Hinblick auf die Feiertage einen erhöhten Umsatz versprochen hatte. Heutzutage pflegen Ostereier ja nicht mehr nur oval und süß zu sein, sie bestehen vielmehr häufig aus Wolle mit Ärmeln dran, oder sie sind ganz rund, glitzern und sind nicht zum Essen bestimmt. Manchmal sind sie aber auch rechteckig. »Bücher gehören auf jeden Ostertisch«, behauptete denn auch das Schild, das man als Blickfang in ein Schaufenster gestellt hatte. Daneben hing mein Porträt mit den üblichen Angaben, wann und wo ich zu besichtigen sein würde. »In unserem Buch-Shop« las ich erstaunt. Wo denn wohl sonst?
Eskortiert von den drei Töchtern, die jede Gelegenheit zu einem Ausflug in die große weite Welt nutzten, drängelte ich mich in das Kaufhaus und dort zuerst an den Stand mit Regenschirmen. Es goß nämlich wie aus Eimern. Als fernsehgläubiger Optimist hatte ich mich mal wieder auf die Prognosen der Wetterfrösche verlassen und trotz Steffis Warnung auf die Mitnahme von Schirmen verzichtet. »Du mit deinem ewigen Pessimismus! Leichte Bewölkung haben sie angesagt und vereinzelte Niederschläge im Norden. Wir sind im Süden!«
»Ich bin kein Pessimist«, hatte Steffi gesagt, »ich bin bloß ein Optimist in Trauer.«
Der traurige Optimist frohlockte, als ich aus dem Sonderangebot zwei bonbonfarbene Schirme erstand, denn die Mädchen hatten einen längeren Schaufensterbummel vor. »Geh du ruhig arbeiten, wir kriegen die Zeit schon rum!«
Ich suchte die Buchabteilung. Nun will es nicht viel heißen, wenn ich mal etwas nicht auf Anhieb finde, das ist sogar die Regel, aber nachdem ich das Kaufhaus zweimal von ganz oben bis zum Supermarkt im Tiefgeschoß durchpflügt hatte, kam mir die Sache langsam spanisch vor. Eine Buchabteilung ist immerhin größer als eine Butterdose, die ich im Kühlschrank selten finde, weil sie grundsätzlich ganz hinten steht. Schließlich erkundigte ich mich bei der Kochtopfverkäuferin.
»Wisse Se, des is nemlich so: Mer hawe kan eichene Abdeilung.«
»Wie bitte?«
»Mer hawe en rischdiche Buchlade.«
Der mußte mir tatsächlich entgangen sein. »In welcher Etage finde ich ihn?«
»Se misse em Hauptoigang naus un donn rechts die Straßnunner. Noch hunnerd Meder sehn Se’n schunn.«
»Was
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