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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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und zögerte: »Sie sind doch Frau…«
    »… Mahlke, richtig! Sie haben wirklich ein bemerkenswertes Gedächtnis, aber das habe ich schon an Ihrem Buch gemerkt. Woran Sie sich nicht alles erinnern können! Das meiste davon hatte ich längst vergessen.«
    Frau Mahlke bekam ihre persönliche Widmung genau wie Frau Kaiser und Frau Schubert und Frau Ichweißnichtmehrwernoch, die ich alle mit dem gleichen Trick hereingelegt hatte.
    Nur bei der letzten Besucherin gab es nicht die geringsten Zweifel. Es war kurz nach dem offiziellen Ladenschluß. Wir räumten schon die Bücher zusammen, während Herr Holzer mit zufriedener Miene eine vorläufige Bilanz zog. Plötzlich sah er auf. »Da will noch jemand rein. Soll ich noch mal aufschließen?«
    »Selbstverständlich.« Schnell drückte ich die Zigarette aus. »Auf die paar Minuten kommt es auch nicht mehr an.«
    Durch die spaltbreit geöffnete Tür marschierte Quasi herein, abwechselnd geliebte und gehaßte und vermutlich deshalb unvergessene Lehrerin seliger Pennälerzeiten.
    »Eigentlich wollte ich nur wissen, aus welchem Grund ich in Ihrem Buch so gut weggekommen bin?« forschte sie, nachdem ich sie etwas verhalten begrüßt hatte. »Es ist ja bekannt, daß Autobiographien in der Regel nichts Schlechtes über ihren Verfasser enthüllen, sondern nur über dessen Gedächtnis, aber Ihres ist besonders miserabel! Womit habe ich die schmeichelhafte Charakterisierung meiner Person verdient? Vor etlichen Dezennien sind Sie doch ganz anderer Meinung gewesen?«
    Mit hochrotem Kopf stand ich vor ihr wie so oft, wenn sie mich mal wieder wegen unzureichender Hausaufgaben abgekanzelt hatte. Was sollte ich jetzt bloß sagen? Ich konnte doch nicht coram publico gestehen, daß ich sie für die beste Lehrerin hielt, die ich jemals gehabt hatte, und daß ich mich noch heute, wenn ich an der Schreibmaschine sitze, an stilistische und grammatikalische Regeln erinnere, die sie uns seinerzeit bis zum Erbrechen eingetrichtert hatte.
    »In der Erinnerung verklärt sich eben alles ein bißchen«, brachte ich schließlich heraus. »Die Schulzeit ist wirklich die schönste Zeit des Lebens, leider merkt man es immer erst hinterher.«
    »Kann ich von mir nicht behaupten. Ich genieße jeden Tag seit meiner Pensionierung.«
    Richtig, sie mußte ja auch schon um die Siebzig sein. Ein paar Minuten lang unterhielten wir uns, wobei sie die Fragen stellte und ich folgsam die Antworten gab, dann verabschiedete sie sich. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Was ich noch sagen wollte, Evelyn – Ihr nächstes Manuskript sollten Sie mir vor Drucklegung vielleicht einmal zuschicken. Ich glaube, Interpunktion ist das einzige, worin ich Ihnen überlegen bin!« Sprach’s und enteilte.
    Sie konnte es doch nicht bleibenlassen! Leider stimmte ihr unausgesprochener Tadel. Kommaregeln sind seit jeher meine Achillesferse gewesen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
    Frau Maibach grinste. »War die schon immer so angriffslustig?«
    »Und ob! Am unangenehmsten war aber, daß sie meistens recht hatte.«
    Bewaffnet mit Blumenstrauß und einem Bildband über das alte Berlin – Abschiedsgeschenk von Herrn Holzer –, verließ ich die Ladenstraße. Zur unverhohlenen Freude meiner Babysitter hatte ich das gemeinsame Essen abgelehnt, das im Anschluß an spätnachmittägliche Signierstunden obligatorisch ist. Man zieht in ein Freßlokal der gehobeneren Preisklasse und futtert sich durch ein Menü, auf das eigentlich niemand so recht Appetit hat. Die offizielle Eskorte, ohnehin zu häufigem Restaurantbesuch verdonnert, würde statt dessen lieber mal ins Theater gehen, und der Autor, zu dessen Wohlergehen dieser Auftrieb stattfindet, hätte eine kleine gemütliche Kneipe vorgezogen, weil er da hausgemachten Heringssalat bekommen kann, der in Nobelrestaurants selten auf der Speisekarte steht. Das darf er aber nicht sagen, sofern er sein Image nicht untergraben will. Autoren haben Räucherlachs zu mögen und Spargelspitzen.
    Wir trennten uns also in der Absicht, das ausgefallene Essen übermorgen nachzuholen, weil wir dann ohnedies mitten im Zentrum sein würden. Mir stand ja noch das Rundfunkinterview bevor.
    Irene wartete schon. »Warum bist du nicht runtergekommen?«
    »Krieg du mal abends um sechs einen Parkplatz! Ich hin dauernd ums Karree gefahren, und jetzt stehe ich schon wieder im Halteverbot. Steig bloß schnell ein, sonst erwischt mich doch noch die Bulette.«
    »Wer?«
    »Man merkt, daß du ein Westi

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