Das hätt' ich vorher wissen müssen
niemand etwas, doch wenn ich vorher gewußt hätte, daß der Buchshop separat liegt, hätte ich den Termin gar nicht erst festgemacht. Sind Sie jetzt sehr enttäuscht?«
»Warum? Weil mich niemand sehen wollte? Das werde ich schon überleben, mir tut es nur um den verplemperten Nachmittag leid.
Jetzt kann ich mich erst am Samstag in die Einkaufsschlacht stürzen, und wenn Ihnen dann die Ohren klingen, wissen Sie, weshalb! Ich werde Sie nämlich in allen Tonarten verwünschen!«
Erst zu Hause merkte ich, daß dieser Tag nun endgültig auf die Verlustliste zu setzen war. Die Mädchen hatten ihre Schirme im Cafe stehenlassen.
»Kannst du nicht noch ein bißchen länger bleiben?« fragte Irene, während sie für Frau Liebetrauts Bukett eine passende Vase suchte. »So herrliche Blumensträuße kriege ich höchstens einmal im Jahr.«
»Zum Hochzeitstag, was?«
»Nee, zum Geburtstag. Von wegen Hochzeitstag!! Den vergißt Hans regelmäßig. Die schönste Überraschung für ihn wäre, ihn zu erwähnen. Hab ich mir aber abgewöhnt.« Sie kicherte. »Im vergangenen Jahr kam er eines Abends nach Hause und verlangte von mir, ich solle mich umziehen, weil wir ausgehen würden. Ich hab natürlich gefragt, wie er denn so aus heiterem Himmel auf diese Idee käme, und weißt du, was er geantwortet hat? ›Ja, hast du denn völlig vergessen, daß wir vor neunzehn Jahren, zwei Wochen und fünf Tagen geheiratet haben?‹«
Ich erschrak. »Menschenskind, dann hast du ja demnächst schon deine zwanzig Jahre rum! Im Strafvollzug wird man nach Ablauf dieser Zeit begnadigt, bloß wir haben lebenslänglich.«
Forschend sah sie mich an. »Ich denke, du bist glücklich verheiratet?«
»Bin ich auch, das ändert aber nichts an der Tatsache, daß mir manchmal alles bis oben steht!«
»Midlife-crisis?«
»Die haben doch bloß Männer. Bei uns Frauen heißt das Vitaminmangelerscheinungen!«
»Dem kann abgeholfen werden«, sagte sie lachend, »zum Abendessen gibt es Paprikaschoten. Dafür kannst du ja morgen wieder voll zuschlagen!«
Im Berliner Europacenter gibt es ein Tonstudio, in dem früher hin und wieder kleine Fernsehsendungen aufgezeichnet wurden; heute dient es nur noch dem Hörfunk. Dort sollte der letzte Teil meines Pflichtprogramms stattfinden, nämlich das Interview. Ob ich mich ab 17 Uhr bereithalten könnte?
»Geht das etwa wieder live über den Sender?« wollte ich wissen, nachdem wir in dem überfüllten Terrassencafe endlich einen Tisch gefunden hatten. Eine halbe Stunde blieb uns noch.
»Ich glaube, ja«, sagte Frau Maibach. »Das dürfte Ihnen doch nichts mehr ausmachen, es ist ja nicht das erste Mal.«
»Haben Sie eine Ahnung! Mir sitzt jetzt schon wieder ein Kloß im Hals.«
Worauf Herr Löffelhardt eine Flasche Sekt bestellte und damit die allgemein gängige Meinung unterstrich, nach höchstens zwei Gläsern würde man seine Hemmungen verlieren und in euphorische Stimmung versetzt. Mich macht Weinbrause aber nur müde.
An guten Ratschlägen mangelte es nicht. »Erzählen Sie was von Ihren Kindern«, empfahl Herr Löffelhardt, »Familie zieht immer.«
»Und vergessen Sie nicht, so ganz nebenbei den Titel Ihres neuen Buches zu erwähnen«, erinnerte Frau Maibach. »Das ist noch nicht mal halb fertig.«
»Macht nichts, das weiß ja keiner.«
»Ich kann doch nicht über ungelegte Eier sprechen«, protestierte ich.
»Aber gerade! Immer schön die Werbetrommel rühren, sonst hätte das Interview ja keinen nachhaltigen Wert.«
Wieder hatte ich etwas gelernt: Autoren sollten möglichst wenig über sich und möglichst viel über ihre Bücher reden. Ihre eventuelle Vorliebe für Waldspaziergänge oder Kanarienvogelzucht trägt in der Regel nicht zum vermehrten Verkauf ihrer Werke bei. Warum ist eigentlich noch kein Verlag auf die Idee gekommen, eine jener so beliebten Kaffeefahrten zu organisieren, drei Busse voll Rentnerpaare in ein Landgasthaus zu karren und ihnen statt Rheumadecken oder Schnellkochtöpfen einen Autor und seine Bücher zu verkaufen?
Neben den Kuchentellern liegt der Bestellschein, spezielle Autogrammwünsche können in der freien Spalte rechts unten eingetragen werden, und spätestens nach einer Woche erfolgt die Lieferung per Nachnahme.
Ich kam mir auch wie am Ziel einer solchen Kaffeefahrt vor, als ich das Tonstudio betrat. Zwei dicke Filzvorhänge schirmten den Raum ab, so daß selbst bei geöffneter Tür keine Straßengeräusche ins Innere dringen konnten. Verblüfft sah ich mich einer
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