Das hätt' ich vorher wissen müssen
denn, Sie haben die Bücher gar nicht hier im Haus?«
»Soch ich jo grad.«
Noch einen Regenschirm kaufen? Kommt nicht in Frage, zu Hause stehen drei, dazu die beiden neuen, macht fünf, von meiner Frisur war sowieso nicht mehr viel übriggeblieben, da hätte allenfalls ein Fön helfen können – also raus in den Regen und den Buchshop gesucht. Die angeblich hundert Meter waren mindestens dreimal soviel, und als ich endlich in den Laden stürzte, triefte ich.
»Frohe Ostern«, sagte Frau Maibach, »sind Sie geschwommen?«
»Nein, gerudert.«
Nachdem ich mich halbwegs trockengelegt hatte, betrachtete ich die Dekoration, in der ich mich jetzt eine Stunde lang zur Schau stellen sollte. Es war eine ganz normale Buchhandlung, nicht sehr groß, trotzdem gut sortiert, aber daß sie zu einem Kaufhaus gehörte, war nur am Schild über der Ladentür zu erkennen. »Warum haben Sie mir nicht vorher gesagt, daß wir hier in einer Exklave sitzen?«
»Das habe ich doch selbst nicht gewußt«, verteidigte sich Frau Maibach, »wer kann denn schon so was ahnen?«
»Unsere Kunden wissen es aber, und das ist die Hauptsache«, beeilte sich der Herr Geschäftsführer zu versichern. »Außerdem läuft drüben im Hauptgebäude alle zehn Minuten ein entsprechender Hinweis über die Lautsprecher.«
Diesmal war es ein runder Tisch, an dem ich Platz nehmen mußte. Das dazugehörige Boulevardstühlchen wackelte, war auch nicht sonderlich bequem, aber es sah sehr hübsch aus. Wir warteten zehn Minuten, wir warteten zwanzig Minuten, starrten in den Regen und auf die Menschenmassen, die sich auf der Jagd nach Kabeljau und Festtagsbraten mit ihren Schirmen gegenseitig ins Gehege kamen, tranken Orangensaft und sahen immer wieder verstohlen auf die Uhr. Kein Mensch warf auch nur einen Blick ins Schaufenster, und erst recht keiner betrat den Laden, um sich von der »bekannten und beliebten Autorin« ein Autogramm zu holen.
Der Geschäftsführer wurde zunehmend unruhiger. Ob wir vielleicht einen Kaffee haben möchten? Er könne von gegenüber welchen holen lassen. Oder lieber einen Kognak? Im Schreibtisch habe er immer eine Flasche stehen.
Er tat mir leid. »Sie brauchen sich wirklich keine Vorwürfe zu machen, es ist doch nicht Ihre Schuld, wenn sich niemand blicken läßt. Bei dem Wetter sieht jeder zu, daß er schnell wieder ins Trockne kommt.«
Das leuchtete ihm ein, aber – »Die Durchsagen! Wir machen doch dauernd Durchsagen! Ich habe eben angerufen und es mir noch einmal bestätigen lassen.«
»Die ändern auch nichts. Wahrscheinlich sähe es anders aus, wenn die Buchabteilung im Hauptgebäude wäre, wo die Leute ohnehin einkaufen. Würden Sie denn freiwillig durch den Regen rennen, nur um eine Autorin zu besichtigen, die Sie vermutlich gar nicht kennen, oder um ein Buch zu kaufen, das Sie nächste Woche auch noch holen können? Irgendwann hört es ja mal wieder auf zu regnen.«
Da sagte er nichts mehr. Er wurde erst wieder munter, als das Glöckchen bimmelte und sich zwei klatschnasse Regenschirme gleichzeitig durch die Tür zu zwängen versuchten. »Na, meine Damen, kann ich Ihnen helfen?« Er bemächtigte sich der Schirme und stellte sie in eine Ecke.
»Du machst wohl gerade Pause?« wollte Nicki wissen.
»Ja, seit exakt 39 Minuten.«
»Soll das heißen, es ist überhaupt noch keiner gekommen?«
»Du bist schon immer ein kluges Kind gewesen«, bestätigte ich, bevor ich meine Ableger mit den Anwesenden bekannt machte.
Der Herr Geschäftsführer rieb sich die Hände. »Wißt ihr was? Ihr bekommt jetzt auch etwas zu trinken, und dann bleibt ihr ein Weilchen hier. Vielleicht locken wir auf diese Weise doch noch ein paar Kunden herein. Viele haben nämlich Hemmungen, wenn das Geschäft ganz leer ist.«
Aber auch die durch den ganzen Laden wieselnden Köder nützten nichts. Sie hoben zwar den Umsatz, weil sie das neue Asterix-Heft haben wollten und den süßen Geburtstagskalender, aber bis zum Schluß der Autogramm stunde blieben sie die einzigen Besucher.
Punkt fünf Uhr verließen wir unter den Beileidsbezeugungen des Gastgebers die Buchhandlung, stürmten in das gegenüberliegende Cafe, bestellten zwei Whisky sowie drei Eisbecher und – lachten, bis uns die Tränen kamen.
»Ich stelle mir gerade vor, wie die sich nachher auf der Gipfelkonferenz gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben«, sagte Frau Maibach, rundum Papiertaschentücher verteilend, »aber die Sache hat noch ein Nachspiel! Für das miese Wetter kann
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