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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Männer in Deutschland. Und er saß hier auf Juist und telefonierte mit ihm, während die Sonne auf sein Gesicht schien und er aus dem Hotel Friesenhof die ersten Heimatlieder erschallen hörte.
    Er war sozusagen »undercover« mitgekommen, getarnt als Norderneyer »Döntje-Singer«, der er eigentlich schon seit Jahren nicht mehr war. Keine Zeit für plattdeutsche Schlager, keine Zeit. Doch in diesen Tagen machte er wieder mit wie früher, weil es der beste Weg war, um unbemerkt die Kontakte zu knüpfen, die ihm zum Geschäft seines Lebens verhelfen sollten.
    Drinnen sangen sie »Die Sieben zum Verlieben«, ein Schunkellied, das als inoffizielle Nationalhymne der ostfriesischen Inseln gehandelt wurde. Bonnhofen war nicht nach Einhaken zumute. Außerdem hatte er genau beobachtet, wer bereits zum Frühstück eingetroffen war, da er schließlich der Erste heute Morgen gewesen war. Und die zweite Vorsitzende des Juister Heimatvereins war nicht dabei gewesen. Vielleicht bevorzugte sie ein ruhiges Frühstück in der eigenen Stube, wer weiß? Soweit er informiert war, war sie allein erziehende Mutter und hatte ein kleines Gästehaus an den Hacken. Dann wollte sie sich sicher den Stress ersparen, zwischen noch nicht ganz nüchternen Insulanern zu sitzen, die zum Frühstück schon wieder die ersten Bierchen an den Lippen hatten.
    Es war sicher keine schlechte Idee, sie zu besuchen. Tjark Bonnhofen wusste, dass er nicht unattraktiv war und seine gewinnende, jungenhafte Art es ihm sowohl im Geschäftsais auch im Privatleben einfach machten, Sympathien zu gewinnen. Er wusste, dass sie in der Dellertstraße im selben Haus wie Kai Minnert direkt an den Dünen wohnte. Vielleicht bekam er bei ihr eine gepflegte Tasse Tee?
    Bonnhofen erhob sich von der kleinen Mauer und drehte den lauten Stimmen, die aus der offenen Tür des inzwischen sicher schon voll besetzten Hotelsaals erschallten, den Rücken zu. Er musste noch einen überzeugenden Vorwand erfinden, damit sie ihm die Tür öffnete, wo sie sich doch noch nie begegnet waren. Aber man hatte ihm erzählt, dass Seike Hikken eine schöne Frau war.

Samstag, 20. März, 9.31 Uhr
    V or dem weißen Laken standen sechs Männer breitbeinig über ihren Herrenfahrrädern und schienen den Eindruck erwecken zu wollen, sie hätten sich ganz zufällig hier vor Kai Minnerts Laden getroffen. Ihr Tonfall war unangemessen laut, ihre Worte unangemessen geschmacklos.
    Vor ihnen stand der Juister Zollbeamte Rüdiger Glaser. Er war Axel Sanders nach einem Telefonanruf sofort zu Hilfe geeilt und hatte mit dem weißen Bettlaken aus der Ferienwohnung seiner Frau das Schaufenster einigermaßen diskret verhängt. Glaser stand davor wie ein Zinnsoldat. Pflichtbewusst und unbestechlich, die palavernden Insulaner hätten sicher zu gern einen Blick auf den Tatort geworfen, doch das Gesicht des Zöllners war von so makelloser Autorität, keiner wagte einen Schritt in Richtung Schaufenster.
    Axel Sanders mochte seinen Kollegen vom Zoll. Immerhin verrichtete er schon sechs Jahre auf Juist seinen Dienst, eine beachtliche Zeit, fand Sanders. Glaser kontrollierte Schiffe aus Holland und klärte die Inseljugend über die Gefahren der weichen und harten Drogen auf. Ein feiner Kerl, vielleicht ein wenig zu misstrauisch, aber dafür kreuzehrlich und kein Trinker.
    »Wissen Sie schon, wer es war, Kommissar Sanders?«, bollerte der dicke Kapitän Feiken über die Straße. »Mir fallen auf Anhieb drei bis vier Leute ein, die es gewesen sein könnten!«
    »Holahola!«, machte Wencke Tydmers und verzog in ironischer Anerkennung den Mund. »Kollege, dann hätten Sie mich und die Spurensicherung ja gar nicht kommen lassen brauchen, wenn Sie über solch eifrige Freizeitdetektive verfügen.« Sie ging in ihrem Rock und den wirklich geschmackvollen Schuhen ohne jedes Zögern mitten durch die Männergruppe, schaute nicht links und nicht rechts, reichte Rüdiger Glaser die Hand und plauderte kurz mit ihm.
    Ja, so kannte er sie. Mehr als drei Jahre waren sie in Aurich Kollegen gewesen. Sie hatte ihn ausgestochen, als es um die Leitung der Mordkommission ging. Sie oder diese dämliche Frauenquote, Axel Sanders wusste es nicht so genau. Was immer der Grund für ihre Beförderung gewesen war, er hatte schwer daran zu beißen gehabt. Ihre legere Art und die chaotischen Methoden, die sie bei der Verbrechensbekämpfung anzuwenden pflegte und die er nie auch nur im Ansatz nachvollziehen konnte, konnten es wohl nicht gewesen sein. Und

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