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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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und der Schatzmeister am Tisch stimmte mit ein. Bestens!
    Nicht verplappern, Bonnhofen, mahnte er sich selbst. Sie mögen dich, sie trauen dir einiges zu und sie sehen in dir den richtigen Mann, der den Karren aus dem Dreck ziehen kann. Ein falsches Wort, und diese Trümpfe gehen wieder aus der Hand.
    Mit Minnert hatte es auch so gut begonnen. Mit Lachen und Händedruck und lobenden Worten. Und dann hatte er unachtsamerweise den Namen »Claus-Bodo Johannsen« genannt.
    Vielleicht hätte er das Gespräch schon am Freitagabend unter Dach und Fach bringen können, wenn ihm diese Sache nicht herausgerutscht wäre. Von einer Sekunde auf die andere hatte sich das Blatt gewendet. Wüste Beschimpfungen hatte er einstecken müssen: Nazischwein und Faschistenhure, genau das waren Minnerts Worte gewesen. Und dabei hatte dieser Mann auf den ersten Blick ganz vernünftig gewirkt, wie einer von ihnen, wie einer, dem das Land und die Werte seiner Heimat heilig waren. Bonnhofen hatte doch keine Ahnung gehabt, dass dieser Minnert ausgerechnet ein warmer Bruder war. Hatte man ihm doch nicht angesehen. Weder durch einen tuntigen Gang noch durch besonders schicke Klamotten hatte sich Minnert verraten. Er hatte keine nasale Stimme und kein glatt rasiertes Kinn, und das hatten sie doch eigentlich alle, diese Schwulen. Die erzählten doch keine Witze in der Öffentlichkeit, zumindest nicht so schweinische wie der von Freitag mit den drei Insulanern, die in den Himmel kommen. Außerdem trinken sie kein Bier und keine Schnäpse, sondern Likör, da war Bonnhofen sich bislang immer sicher gewesen. Wirklich, Kai Minnert hatte nach Frau und Kind und Stammtischfreundschaft ausgesehen. Natürlich waren Homos nicht besonders gut zu sprechen auf Claus-Bodo Johannsen und dessen Gleichgesinnte. Deshalb war Minnert ausgerastet und hatte ihn postwendend fortgeschickt. Am Freitagabend. Und er hatte ihm noch was hinterhergeschrien. »Nur über meine Leiche!« Welch Ironie des Schicksals.
    Bonnhofen holte tief Luft. Nun wusste ja niemand mehr auf der Insel, wie seine wahren Pläne aussahen und von wem das Geld in Wirklichkeit zu erwarten war. Er sah in die Runde. Nun waren sie alle da und blickten ihn erwartungsvoll an.
    »So, meine Herren, dann will ich Ihnen mal erzählen, wie ich mir unsere zukünftige Zusammenarbeit vorstelle!«

Sonntag, 21. März, 12.21 Uhr
    D ie Nummer stimmte. Hundertprozentig stimmte sie. Warum ging Wencke nicht an den Apparat?
    Sanders saß schon auf dem Fahrradsattel, bereit zum Aufbruch, als er es erneut klingeln ließ, bis sich die Mailbox mit monotoner Stimme meldete und ihn nun schon zum fünften Mal aufforderte, eine Nachricht zu hinterlassen.
    »Wencke, ähm, Frau Tydmers, rufen Sie bitte zurück. Wir haben einen Durchsuchungsbefehl für Wortreichs Wohnung. Ich bin jetzt auf dem Weg dorthin, bitte kommen Sie!« Er schwieg einen Moment in den Telefonhörer. »Zur Not kann ich dem Kollegen vom Zoll Bescheid sagen, dann kommt der eben mit. Wo stecken Sie, Menschenskind! Melden Sie sich!«
    Dann drückte er die Verbindung weg und wählte im selben Augenblick die Nummer von Rüdiger Glaser. Zum Glück sprang der immer ein, wenn man einen Auftrag nicht allein übernehmen konnte. Hausdurchsuchungen gab es so gut wie nie auf der Insel. Sanders hatte im Oktober, ganz zu Beginn seiner Juister Dienstzeit, einmal die Bude einer angeblich selbstmordgefährdeten Auszubildenden durchsuchen sollen, da das Mädchen nicht zur Arbeit im Hotel angetreten war. Er hatte das dünne Küken mit dem DJ der Inseldisco in flagranti erwischt. Von wegen Selbstmord. Inzwischen war sie kugelrund, erwartete Zwillinge, und der DJ legte die Platten derzeit im Allgäu auf. Hätte er damals ein wenig schneller gehandelt, so hätte er das Mädchen vor diesem frustrierenden Schicksal vielleicht bewahren können. Ja, bei Durchsuchungen kam es oft auf Minuten an.
    »Glaser? Haben Sie Zeit? Ich brauche Sie dringend in der Dellertstraße, wir wollen uns Minnerts und Wortreichs Wohnung mal genauer ansehen.« Glaser sagte sofort zu, feiner Kerl. »Wenn Sie meine Kollegin von der Mordkommission sehen, sagen Sie ihr Bescheid. Ich kriege sie auf dem Handy nicht. Ja? Danke!«
    Sanders entschied sich, die wenigen Minuten bis zu Glasers Ankunft zu nutzen und einen Blick über den Strand zu werfen. Vielleicht konnte er Wenckes Jeansjacke in der Ferne ausmachen? Er trat ordentlich in die Pedale, fuhr bei der Kunstgalerie die Dünen hinauf, an der Abbiegung zur Dellertstraße

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