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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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sahen, gefolgt vom Zöllner. Die beiden machten ernste Gesichter. Axel hatte ein weißes Papier in der Hand. Es sah sehr offiziell aus, wie sie da zwischen den fingerdicken, stacheligen Ästen der Hagebuttensträucher auf das Haus zuliefen. Hoffentlich wollten sie nicht zu ihr. Sie wartete doch auf Gerrits Antwort, wartete, dass hier und in diesem Moment das schöne, neue Leben anfing. Sie hoffte, dass sie nicht von einem Klingeln an der Tür gestört wurde. Außerdem gab es doch nichts mehr zu sagen. Sicher wollten sie in die Wohnung nebenan.
    Als Axel Sanders aufblickte und zu ihrem Fenster schielte, hob Seike langsam die Hand zum Gruß. Es war ja schließlich nichts dabei, sollte er sie doch ruhig mit Gerrit sehen. Sie brauchten sich ja nun endlich nicht mehr zu verstecken. Doch grob riss Gerrit sie nach hinten.
    »Himmel, er muss dich doch nicht sehen, oder?«
    Seike wäre fast gestolpert, konnte sich aber an der Lehne des Ohrensessels fangen. Nun starrte sie ihn fassungslos an. »Was ist denn jetzt los?«
    »Was machen die hier? Wollen die zu dir, oder was?« Gerrits Ton war gehetzt. Er legte den Finger an die Lippen und wies sie mit einem scharfen Blick zum Schweigen an.
    »Was hast du bloß?«, wollte Seike fragen, doch er schob ihr die Hand über den Mund und schüttelte den Kopf. Seike fürchtete sich, Luft zu holen. Sie rührte sich nicht, sie atmete nicht. Bis sie die Klingel in der Nachbarwohnung hörten. Dreimal schnell hintereinander. Dann endlich glitt Gerrits Hand aus ihrem Gesicht und er nahm sie fest in den Arm, drückte sie gegen sich und sie hörte ein laut klopfendes Herz, welches nach und nach langsamer wurde, bis es wieder so vertraut nach Gerrit klang.
    »Warum haben sie dich nach diesem Akkordeon gefragt?«, fragte er schließlich.
    Es war eine merkwürdige Frage. Er hatte soeben erfahren, dass seine Frau über Pauls Abstammung Bescheid wusste und dass sie ein zweites gemeinsames Kind erwarteten, und er fragte nach diesem komischen Ding. Moment mal! »Ich habe eben nur von einem Instrument gesprochen. Woher weißt du also, dass es sich um ein Akkordeon handelt?« Als sie ihn anschaute, wich er ihrem Blick aus. »Was weißt du von dieser Geschichte?«
    Fast trotzig löste er sich aus der Umarmung und ging in die Küche. Er hatte allem Anschein nach nicht vor, ihr zu antworten. Was war los mit ihm? Gerrit war nie verschlossen, er war kein Rätsel für sie. Eigentlich hatten sie in den letzten Jahren ihre Geheimnisse voreinander ausgebreitet wie ein Laken. Jede Ecke und jeden Winkel hatten sie preisgegeben. Genau das war stets der schönste Liebesbeweis für sie gewesen, dass sie sich vertrauten und nichts voreinander zu verheimlichen hatten. Doch was versuchte er nun zu verbergen?
    »Gerrit!«
    »Es ist nichts!«
    »Wenn nichts ist, warum willst du dann nicht mit mir über all die anderen Dinge sprechen, die mir im Moment durch den Kopf gehen. Warum fragst du als einziges nach diesem verfluchten Schifferklavier, von dem ich bis heute Vormittag noch nie eine Silbe gehört habe?«
    Er antwortete immer noch nicht. Griff sich stattdessen einen Apfel und biss beinahe wütend hinein.
    »Dieses Instrument, Henner Wortreich und jetzt die Polizei nebenan und deine Unruhe…« Seike sagte all die Worte fast monoton vor sich hin, bis sie einen Sinn dahinter erfasste. »Hast du vielleicht etwas mit Minnerts Tod zu tun?« Er schwieg. »Ich werde wahnsinnig, Gerrit! Sag mir bitte, dass es nicht so ist, sag mir bitte, dass ich mich irre. Du hast doch deine Finger da nicht mit im Spiel oder?«
    »Nein, hab ich nicht!«, sagte er wütend und ging wieder aus der Küche, in die sie ihm gefolgt war. Nun dackelte sie wieder hinter ihm her. Er war doch sonst nicht so. Es konnte doch nicht sein, dass sie ihn so wenig kannte. Jetzt, wo er endlich ihr gehörte, jetzt zeigte er sich auf einmal gereizt und verschlossen. Wo blieb die Freude über das Kind in ihrem Bauch? Er ging ins Bad und pinkelte im Stehen, den Apfel in der freien Hand. Während der Strahl auf das Porzellan spritzte, murrte er unverständliches Zeug vor sich hin, bis er schließlich spülte, den Hosenschlitz schloss und sich die Hände mit ihrer Reinigungslotion wusch. Und dann stellte er sich vor ihr hin. Jetzt wollte er reden. Sie blieb vor ihm stehen und schaute besorgt zu ihm auf. Sie hatte Angst vor dem, was er sagen könnte.
    »Hast du dir eigentlich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie wir das alles finanzieren sollen?«
    Fast meinte Seike,

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