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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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gehängt hatte, drängten sich eifrige Insulaner davor. Man hörte Rufen und Murmeln, fast wie Geräusche einer Verschwörung, dachte Sanders. Er hatte sie alle zusammenrufen lassen. Fast dreihundert Personen, die alle so schnell wie möglich die Insel verlassen wollen und sich aus diesem Grund voller Tatendrang an der Suchaktion beteiligten.
    »Übernehmen Sie die Sache da draußen, Kollege?«, fragte Sanders. Seit ein paar Minuten war Marten Pollinga im Raum. Es hatte nicht lange gedauert, bis man den Vorsitzenden des Langeooger Akkordeonvereins ausfindig gemacht und zur Polizei gelotst hatte. Er war noch relativ jung für einen Mann, der einen Akkordeonverein leitete. Sanders hatte klischeebehaftet einen seemannsbärtigen Senioren erwartet. Pollinga war jedoch höchstens fünfunddreißig, glatt rasiert und mager. Er schien nervös zu sein. Vermutlich zerbrach er sich den Kopf darüber, warum er wohl hierher bestellt worden war. Sanders kannte die Ängste der Unbescholtenen, denen mit einem Mal die Verfehlungen der letzten Jahre einfielen. Vielleicht hatten sie den Müll nicht richtig getrennt oder waren ohne Licht mit dem Fahrrad gefahren. Und dann wurden sie so nervös wie dieser Märten Pollinga.
    Glaser ging vor die Tür, rief klare Anweisungen in die Menge, machte seinen Job insgesamt ganz hervorragend. Sanders schob sich einen Holzstuhl zurecht, setzte sich mitten in den Raum und schaute Pollinga an. Eigentlich wäre Sanders gern selbst mit auf die Suche gegangen, weil die Ungewissheit ihn von Minute zu Minute unruhiger machte, aber er hoffte auch, dass dieses Gespräch mit dem Langeooger Musikanten ihm vielleicht neue Erkenntnisse über das Instrument verschaffen und ihm so auch einen Anhaltspunkt liefern würde, ob Wencke tatsächlich in Gefahr schweben könnte oder nicht. Also riss er sich zusammen, setzte sich an den Computer und nahm die Personalien auf, bis er endlich die ersten Fragen stellen konnte.
    »Was können Sie mir über dieses Akkordeon erzählen, welches Sie bei Minnert in Reparatur gegeben haben?«
    Pollingas steifer Oberkörper sackte beim erleichterten Ausatmen ein wenig in sich zusammen. »Ach so!«, sagte er nur und lächelte in diesem Zimmer zum ersten Mal, wenn auch ein wenig unsicher. »Das Hagebutten-Mädchen?«
    »Genau!«
    »Wir haben es vererbt bekommen, von unserem alten Inselarzt, der im vergangenen Herbst gestorben ist. Es sieht nach wer weiß was aus, das Instrument, aber der Klang war saumäßig, deswegen haben wir es bei Minnert abgegeben.«
    »Hat er es Ihnen bereits zurückgegeben?«
    Pollinga lehnte sich nun einigermaßen entspannt zurück. »Nee, hat er nicht. Er sagte, er habe herausgefunden, weshalb die Töne immer so mickrig klangen, und wir wären sicher erstaunt, wenn wir den Grund erfahren würden. Erstaunt und erfreut, hat er gesagt. Er wollte uns das Akkordeon heute mitgeben. So hatten wir uns zumindest geeinigt.« Nun beugte er sich doch wieder ein Stück nach vorn. »Aber warum fragen Sie danach?«
    »Es ist verschwunden.«
    »Das Akkordeon?«
    »Ja!« Sanders musste sich den nächsten Satz erst einmal selbst zurechtlegen, die Sache mit dem Hagebutten- Mädchen erschien ihm nun immer verworrener. »Minnert hat einigen Personen gegenüber ähnlich seltsame Andeutungen gemacht. Merkwürdig ist ebenfalls, dass niemand dieses Instrument gesehen haben will, aber jeder schon mal davon gehört hat. Wir vermuten mal, dass hinter der Sache irgendetwas steckt, von dem wir keine Ahnung haben.«
    »Ob es etwas mit diesem Todesfall zu tun hat?«
    »Wir ermitteln im Moment in jede Richtung.«
    »Vielleicht war es ja sehr wertvoll? Menschenskinder, dieser alte Schepperkasten, wer hätte das gedacht? Wir wollten ihn eigentlich unseren Anfängern zum Spielen geben. Das wäre ja ‘n Ding!« Pollinga schien sich zu amüsieren. Er rieb mit den Händen über die Oberschenkel und schüttelte ungläubig den Kopf. »Da hat uns der alte Doktor ja vielleicht ein richtig kleines Vermögen vermacht, wo er doch sonst nichts zu vererben hatte, der arme Schlucker.«
    »Was wissen Sie denn über die Herkunft dieses…« Sanders blieb der Satz im Hals stecken, als Rüdiger Glaser zur Tür hineinpolterte, das Handy in der Hand, die Augen weit aufgerissen.
    »Sie haben sie gefunden!«
    Aber er hatte doch die Nummer der Polizeistation angegeben, warum hatte es nicht hier geklingelt, sondern bei Glaser? »Was ist los?«
    »Himmel, Kollege, wir müssen sofort los. Die Mädels haben sie gefunden,

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