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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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waren mickrige drei Bomben auf ihr Städtchen gefallen. Man hatte es wohl gehört, war aber von Explosionen in den Fabriken ausgegangen, so etwas kam vor. Drei Jahre später hagelte es Bomben mit Schall und Rauch.
    Zuerst wurden die Kasernen und die deutschen Stellungen beschossen, dann ging es der Stadt an den Kragen. Am Sonntagnachmittag übte die feindliche Artillerie ein halbes Stündchen, montags um zehn, es war der 19.   Februar, begannen die sowjetischen Kanoniere gründlich mit ihrer Arbeit. Von den Anhöhen kollerte der Donner und rollte über die Siedlung bis zum Zentrum. Die Fensterscheiben schepperten, und als die ersten Granaten in den Gärtchen einschlugen, zerbarst das Glas, und der Putz fiel ab. »Gurken« nannten die Russen die goldfarbenen Geschosse, wie passend. »Sa Rodinu – Fürs Vaterland!« oder »Na Berlin – Nach Berlin!« pinselten sie darauf, dann luden, visierten und feuerten sie. Nach einer Stunde pausierten die Kanoniere, und der Kommandeur der 33. Armee der 1. Belorussischen Front forderte die deutschen Befehlshaber auf, die Stadt zur offenen Stadt zu erklären. Das Central-Kino brannte, das Postamt auch. Der Oberbürgermeister sprach sich für die Kapitulation aus, doch Kreisleiter und Kampfkommandant lehnten ab, und so nahmen die sowjetischen Schützen am Dienstag, dem 20. Februar, pünktlich um zehn Uhr wieder ihre Arbeit auf. Man konnte die Zeit nach den Russen stellen, sie hatten wohl genügend Uhren beschlagnahmt. Diesmal dauerte der Beschuss zwei Arbeitstage lang, und die fleißigen Katjuschas, die gewaltigen Haubitzen und die weitreichenden Divisionskanonen gaben erst am Mittwoch um 20   Uhr Ruhe. Am Donnerstag war die Infanterie an der Reihe. Punkt zehn hörte man die ersten Gewehrsalven. Es klang, als würden Knallerbsen gegen die Wand geworfen. Tiefer sprachen die MG s, und noch hohler im Bauch war das Rasseln der Panzer zu spüren. Leichte Jagdlafetten, schwere Kampfpanzer vom Typ »Iosip Stalin 2« und die besten Tanker der Welt, die T-34, fuhren über die sieben Köpfe der Familie Sauer/ Friedrich, die seit nunmehr fünf Tagen im Keller hockte.
    Der gestampfte Lehmboden summte, das Stroh hüpfte, von der Kellerdecke rieselte leise der Schnee, alle waren besoffen, das Kind auch. Rudolfs Ohren waren mit Watte verschlossen, und Polina fütterte ihn, sobald er die Augen aufschlug, mit vergorenen Erdbeeren aus einem der Weckgläser. Während er in einem gepolsterten Waschtrog schlief, klapperte seine Mutter mit den Stricknadeln und trank den süßherben Johannisbeerwein, der ihr besser schmeckte als der Pflaumentrunk. Tati trug einen Pelzmantel und seine Karakulmütze, Katja einen Zobelhut und einen Mantel mit Zobelkragen. Auch sie tranken und sahen aus wie wohlhabende betrunkene Händler vom Fuße des Kaukasus. Martha und Betty waren zu besoffen zum Flennen, und Arthur schnitzte Späne vom Brennholz. Zu seinen Füßen kräuselte sich die Zeit.
    Fast kann man sich gewöhnen an eine herandonnernde Lebensgefahr, erst recht, wenn einem der Obstwein hilft. Etwas anderes ist es, wenn die Gefahr in zwei Stiefeln steckt und ganz nah kommt. Einmal mehr klirrte oben Fensterglas, ein Wunder, dass überhaupt noch welches im Rahmen saß. Aber diesmal war nicht die Druckwelle einer Detonation schuld, sondern ein Mensch. Über ihren Köpfen war also einer in ihr Haus geklettert und ging nun darin herum. Auf knallenden Hacken marschierte er durch die Küche, durch die gute Stube, durch die Diele bis vor die Kellertür. Arthur führte den Finger zum Mund und glotzte alle mit gestülpten Augen an, als sei er ein nachtaktives Tier im Berliner Zoo. Vom besoffenen Rudolf ging keine Gefahr aus, wohl aber von Betty und Martha, die schon den Mund zum Schreien aufgerissen hatten. Unter Arthurs Lemurenblick legten sie die Hand darauf. Die Kellertür öffnete sich, und ein Lichtkeil fiel nach unten. Ist das schon der Jüngste Tag, fragte sich Polina. Im selben Moment verschattete sich das Kellerfensterloch hinter ihren Köpfen: Ein Paar brauner Wickelgamaschen nahm davor Aufstellung. Dann klirrte wieder Glas, etwas polterte über die Dielen, und die Gamaschen nahmen Reißaus. Oben an der Kellertür platzte ein mit Blitz und Donner gefüllter Ballon, und ein deutscher Landser flog ihnen treppab vor die Füße, mitten ins Stroh, das eigentlich für das Kleinvieh angeschafft worden war. Der Landser war voll Ruß und Blut und auf der Stelle tot. Arthur hielt Betty und Martha nun doch den

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