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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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Beispiel hat ihr haarklein erzählt, was Matthias ihr zugemutet hat, und Ulla hat alles wiedergegeben, was Florian ihr antat. Jedes böse Wort und jede Gemeinheit.
    So sind allerdings aus den Männern Typen geworden: der Typ, der mich nicht liebt, der Typ, der immer allein sein wird, der Typ, der es nicht besser verdient. Bei allem Verständnis: Das missfällt ihr inzwischen. Man darf doch die Männer nicht kleinreden. Großreden darf man sie allerdings auch nicht. Das ist der andere Fehler, den Frauen oft begehen: Da wird aus dem Nächstbesten der Allerbeste. Vielmehr sollten die Frauen versuchen, die Männer zu sehen, wie sie sind: in all ihrer Blödheit und Herrlichkeit. Männer sind auch Menschen. Frauen sollten versuchen, die Männer zu verstehen und ihnen zu helfen. Und genau das wird sie heute, am Internationalen Frauentag des Jahres 1982, tun: einem Mann helfen.
    Es ist doch offensichtlich, dass Frank Friedrich unglücklich ist und Hilfe braucht. Vor bald zehn Jahren starb seine Frau und ließ ihn sechsundzwanzigjährig mit einem kleinen Kind zurück, genauso alt wie Conny. Lange Jahre hat er getrauert, erschien oft erst mittags im Büro, nach Alkohol und Schweiß riechend. Der fröhliche und lebhafte Mann verkam und verstummte, er sah niemanden, er hörte und spürte nichts. Trotz ihres eigenen Unglücks, das er nur am Rande wahrnahm, hielt Anita ihm den Rücken frei, wo sie nur konnte. Dennoch gab es Aussprachen mit Langrock und im Kollektiv, die Frank voller Verachtung und Kälte über sich ergehen ließ. Man wolle, so Langrock, niemanden in solch einer schweren persönlichen Krise aus der Gemeinschaft verstoßen, am allerwenigsten einen so fähigen Ingenieur. Die Zeit heile alle Wunden, der Kollege Friedrich solle sich ein Beispiel an seiner Kollegin nehmen. Bald werde er wieder Mut fassen und vorwärtsgerichtet seinen Beitrag usw.
    Irgendwie sollte Langrock recht behalten, irgendwie aber auch nicht. Eines Frühlings wandte sich Frank Friedrich vom Weinbrand und vom Schweigen ab und legte sich eine Lässigkeit zu, die Anita misstrauisch machte. Er trug grüne Cordjacken und Jeanshemden, ließ sich die Haare wachsen, war in allem salopp, machte ihr und anderen missverständliche Komplimente, brachte Blumen und blühende Zweige mit, die Gitarre lag immer auf dem Rücksitz seines Škodas. Niemandem blieb verborgen, dass er schöne Frauen plötzlich mit einem Appetit betrachtete, den er auch stillte. Der Fall war klar: Er hatte nur das Rauschmittel gewechselt. Dass er dabei nicht seine Liebenswürdigkeit verlor, bleibt ihr ein Rätsel. Es ist sogar so, dass dieser blauäugige Mann neuerdings noch viel schutzbedürftiger wirkt. Seit der Übersiedlung seiner Mutter ist er unruhig und gereizt, er hat geweint. Er hat seine Quartalsfreundin in die Wüste geschickt, aus wohlbekanntem Grund ist ihm der Ausweis abgenommen worden, und in der Faschingswoche hat er komplett blaugemacht. Aussprachen gibt es auch wieder.
    Was Frank Friedrich braucht, ist eine Frau. Nicht nur für eine Nacht oder ein paar Wochen, sondern eine, die ihn auffängt und dingfest macht, eine, die er wahrhaft lieben kann. Wie findet man solch eine Frau? Mit Methode und der Hilfe anderer Frauen.
    Sie selbst hat die Methode ausprobiert. Vor sieben Jahren hat sie ihr Leben gewendet und sich ihr Glück geschmiedet, nach dem großen Unglück. So hat sie es zumindest in der Kontaktanzeige formuliert, die ihr Neubeginn war.
    Als sie fiebrige Wochen später ihre Annonce endlich gedruckt sah, war ihr nicht ganz wohl. Aus Kostengründen hatte sie lediglich das erste Wort fett drucken lassen, und die vielen Abkürzungen – sie musste aufs Geld schauen – wirkten geizig und verbissen. Sie hatte alles Gute und Wichtige bedenken und alles Schlechte ausschließen wollen und darüber Leichtigkeit und Originalität vergessen. Selbst ihr kess gemeinter Auftakt – Aha, Sie lesen es auch! – erschien ihr jetzt säuerlich. Vor allem, wenn man ihn mit Texten wie dem folgenden verglich, der zwei Spalten rechts von ihrem zu lesen war: »Lächelnde Xanthippe, 29   Jahre, sucht williges Opfer für Literatur, Musik, Tanz und heimische Frondienste.« Keine einzige Abkürzung, sehr souverän und witzig.
    Ein wenig enttäuscht war sie, dass sie nur zwanzig Zuschriften erhielt, darunter mehrere Briefe von Fotoamateuren mit Interesse für Camping, Autotouristik und FKK , die eine attraktive Partnerin suchten, Ganzfoto erbeten. Andere wollten keine Partnerin, sondern

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