Das Halsband der Königin - 1 (German Edition)
sagte:
»Gleichviel, gleichviel, meine Herren, es ist nichtsdestoweniger die Königin von Frankreich; verbeugen wir uns, verbeugen wir uns tief.«
Die kleine Person, der Gegenstand von so viel Respect, ging mit einer gewissen Bangigkeit durch die letzte Hausflur und kam in den Hof.
Hier suchten ihre matten Augen einen Fiaker oder eine Sänfte; sie fand keines von beiden; doch ungefähr nach einer Minute der Unentschlossenst, als sie schon ihren niedlichen Fuß auf das Pflaster setzte, näherte sich ihr ein großer Lakai und sagte:
»Der Wagen von Madame.«
»Ich habe keinen Wagen,« entgegnete die junge Frau.
»Madame ist einem Fiaker gekommen?«
»Ja.«
»Von bei Rue Dauphine?«
»Ja.«
»Ich werde Madame nach Hause führen.«
»Gut, führen Sie mich,« sprach die kleine Person mit einer sehr ungezwungenen, entschlossenen Miene, ohne daß sie nur eine Minute die Unruhe behalten hatte, welche ein so unvorhergesehener Antrag bei jeder andern Frau verursacht hätte.
Der Lakai machte ein Zeichen, auf das sogleich eine hübsche Carrosse antwortete, von der die Dame aufgenommen wurde.
Der Lakai hob den Fußtritt auf und rief dem Kutscher zu:
»Rue Dauphine.«
Die Pferde entfernten sich rasch: als sie den Pont-Neuf erreicht hatte, bedauerte die kleine Dame, die viel Geschmack an dieser Art der Fortbewegung fand, ungemein, daß sie nicht am Jardin des Plantes wohnte.
Der Wagen hielt an. Der Fußtritt sank nieder; schon streckte der wohlunterichtete Lakai die Hand aus, um von der Dame den Hauptschlüssel zu empfangen, mittelst dessen die Bewohner von dreißigtausend Häusern in Paris, die keine Hotels waren und weder Hausmeister noch Schweizer hatten, heimkehrten.
Der Lakai öffnete also die Thüre, um die Finger der kleinen Dame zu schonen; dann in dem Augenblick, wo diese in den finstern Gang eindrang, grüßte er sie und schloß die Thüre wieder.
Die Carrosse rollte weiter und verschwand.
»Das ist wahrhaftig ein angenehmes Abenteuer,« rief die junge Frau. »Es ist sehr galant von Herrn Mesmer. O! wie müde bin ich! Er wird sich vorhergesehen haben. Er ist ein sehr großer Arzt.«
So sprechend, gelangte sie zum zweiten Stockwerk des Hauses, auf einen Ruheplatz, der von zwei Thüren beherrscht war.
Sobald sie geklopft hatte, öffnete ihr eine Alte.
»Oh! guten Abend. Mutter; ist das Nachtessen bereit?«
»Ja, es wird sogar kalt.«
»Ist er da?«
»Nein, noch nicht; doch der Herr ist da.«
»Welcher Herr?«
»Der, welchen Sie heute Abend nothwendig sprechen müssen.«
»Ich?«
»Ja. Sie.«
Diese Unterredung fand in einem kleinen, mit Glasscheiben versehenen Vorzimmer statt, das den Ruheplatz von einer großen, nach der Straße gehenden Stube trennte.
Durch das Fensterwerk sah man deutlich die Lampe, die diese Stube erhellte, deren Anblick, wenn nicht befriedigend, doch wenigstens erträglich war.
Alte Vorhänge von einer gelben Seide, welche die Zeit stellenweise geädert und abgebleicht hatte, einige Stühle von grünlichem Utrechter Sammet, ein großer Schrank mit zwölf Schubladen und mit eingelegter Arbeit, ein alter gelber Sopha, das waren die Herrlichkeiten des Gemaches.
Sie erkannte diesen Mann nicht, aber unsere Leser werden ihn wohl erkennen: es war derjenige, welcher die Neugierigen in Beziehung auf die angebliche Königin aufgewiegelt und die fünfzig Louisd'or für das Pamphlet gegeben hatte.
Die junge Frau öffnete ungestüm die Glasthüre, und kam bis zum Sopha, auf dem sie ruhig einen mehr fetten als mageren Mann von gutem Aussehen sitzen sah, dessen sehr schöne weiße Hand mit einem äußerst reichen Spitzenjabot spielte.
Die junge Frau hatte nicht Zeit, das Gespräch zu beginnen.
Dieser seltsame Mensch machte eine Art von Gruß, halb Bewegung, halb Verbeugung, heftete einen glänzenden Blick voll Wohlwollen auf seine Wirthin und sprach:
»Ich weiß, um was Sie mich ersuchen wollen, doch ich werde Ihnen besser antworten, wenn ich Sie selbst befrage. Sie sind Mademoiselle Oliva?«
»Ja, mein Herr.«
»Eine reizende, äußerst nervöse und für das System Messmers eingenommene Frau?«
»Ich komme gerade von ihm.«
»Sehr gut! das erklärt Ihnen nicht, wie mir Ihre schönenAugen sagen, warum Sie mich auf Ihrem Sopha finden, und das ist es doch, was Sie besonders zu wissen wünschen.«
»Sie haben richtig errathen, mein Herr.«
»Wollen Sie mir den Gefallen erweisen, sich zu setzen; wenn Sie stehen blieben, wäre ich genöthigt, mich auch zu erheben; dann würden
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