Das Halsband der Koenigin 2
sehr mein Günstling, mein Liebling, mein von mir geätzter Vogel, daß ich ihm in der That soeben einen Fuß von dieser Klinge durch die Rippen gestoßen habe.«
Und Philipp zeigte seinem Vater seinen Degen.
»Wie!« versetzte Taverney, erschrocken bei dem Anblick dieser stammenden Augen, bei der Kunde von diesem kriegerischen Ausfall, »sagst Du nicht, Du habest Dich mit Herrn von Charny geschlagen?«
»Und ich habe ihn gespießt! Ja.«
»Großer Gott!«
»Das ist meine Manier, meine Nachfolger zu besänftigen, zu pflegen und zu schonen,« fügte Philipp bei; »nun, da Sie dieselbe kennen, wenden Sie Ihre Theorie auf meine Praxis an.«
Und er machte eine verzweifelte Bewegung, um zu entfliehen. Der Greis klammerte sich an seinen Arm an.
»Philipp! Philipp! sage mir, daß Du scherztest.«
»Nennen Sie das einen Scherz, wenn Sie wollen, doch es ist geschehen.«
Der Greis schlug die Augen zum Himmel auf, murmelte ein paar zusammenhangslose Worte, verließ seinen Sohn und lief bis in sein Vorzimmer.
»Geschwind! geschwind! ein Berittener! man eile zu Herrn von Charny, der verwundet worden ist, man erkundige sich nach ihm und vergesse nicht, zu sagen, man komme in meinem Auftrage! Dieser Verräther Philipp,« sprach er, während er in seine Wohnung zurückkehrte, »ist er nicht der Bruder seiner Schwester! Und ich, der ich ihn für gebessert hielt! Oh! es gab nur Einen Kopf in der Familie, den meinigen.«
XXXIV.
Der Vers des Herrn von Provence.
Während alle diese Ereignisse in Paris und in Versailles vorfielen, befand sich der König, ruhig wie gewöhnlich, seitdem er seine Flotten siegreich und den Winter besiegt wußte, in seinem Cabinet, mitten unter kleinen Karten und Weltkarten, kleinen mechanischen Plänen, und beschäftigte sich damit, neue Furchen auf dem Meere für die Schiffe des Herrn von Laperouse zu ziehen.
Ein leichtes Klopfen an der Thüre entzog ihn seinen durch ein gutes Vesperbrod, das er zu sich genommen, ganz erhitzten Träumereien.
In diesem Augenblick machte sich eine Stimme hörbar.
»Darf ich hinein, mein Bruder?« fragte sie.
»Der Herr Graf von Provence, der Unwillkommene!« brummte der König, indem er ein offenes Buch voll der größten Figuren von sich schob.
»Treten Sie ein,« sagte er.
Ein dicker, kurzer, rothbackiger Mann mit lebhaften Augen trat ein; sein Schritt war zu ehrfurchtsvoll für einen Bruder zu vertraulich für einen Unterthanen.
»Sie erwarteten mich nicht, mein Bruder,« sprach er.
»Meiner Treue, nein.«
»Ich störe Sie?«
»Nein, doch sollten Sie mir etwas Interessantes zu sagen haben?«
»Ein Gerücht, so drollig, so grotesk ...«
»Ah! ah! eine Verleumdung.«
»Meiner Treue, ja, mein Bruder.«
»Die Sie belustigt hat?«
»Oh! ihrer Seltsamkeit wegen.«
»Irgend eine Bosheit gegen mich?«
»Gott ist mein Zeuge, daß ich, wenn dem so wäre, nicht lachen würde.«
»Gegen die Königin also?«
»Sire, stellen Sie sich vor, daß man mir im Ernste, ganz im Ernste gesagt hat ... oh! ich lasse Sie hundertmal, ich lasse Sie tausendmal rathen.«
»Mein Bruder, seitdem mein Lehrer mich diese oratorische Vorsicht als Muster des Genre bei Frau von Sévigné hat bewundern lassen, bewundere ich sie nicht mehr .... Zur Sache.«
»Wohl! mein Bruder,« sprach der Graf von Provence, etwas abgekühlt durch diesen brutalen Empfang, »man sagt, die Königin habe einmal auswärts geschlafen, ha! ha! ha!« Und er strengte sich an, zu lachen.
»Das wäre sehr traurig, wenn es wahr wäre,« sagte der König voll Ernst.
»Aber das ist nicht wahr mein Bruder?«
»Nein.«
»Es ist ebenso nicht wahr, daß man die Königin vor dem Thore des Reservoirs hat warten sehen?«
»Nein.«
»Sie wissen, an dem Tag, wo Sie das Thor um eilf Uhr zu schließen befahlen.«
»Ich weiß nicht.«
»Wohl! stellen Sie sich vor, mein Bruder, das Gerücht behauptet ...«
»Was ist das, das Gerücht? wo ist es? wer ist es?«
»Das ist ein tiefer Zug, mein Bruder, ein sehr tiefer. In der That, wer ist das Gerücht? Wohl! dieses unfaßbare, unbegreifliche Wesen, welches man Gerücht nennt, behauptet, man habe die Königin mit dem Grafen von Artois Arm in Arm eine halbe Stunde nach Mitternacht an diesem Tage gesehen.«
»Wo?«
»Auf dem Weg nach einem Hause, das Herr von Artois besitzt, hinter den Ställen. Hat Eure Majestät nicht von dieser seltsamen Geschichte sprechen hören?«
»Doch wohl, mein Bruder, ich muß davon gehört haben.«
»Wie so, Sire?«
»Ja, haben Sie
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