Das Halsband der Koenigin 2
Charny allein frei mit Frau von La Mothe und der Königin, das heißt freier als allein, gelassen.
Was sie empfand, wie sollte sie es sich erklären?
War es Liebe? Oh! die Liebe, hätte sie sich gesagt, keimt nicht, wächst nicht in der kalten Atmosphäre der Hofgefühle. Die Liebe, diese seltene Pflanze, blüht gern in edlen, reinen, unberührten Herzen. Sie schlägt nicht ihre Wurzeln in einem durch Erinnerungen entheiligten Herzen, in einem Boden, der durch Thränen erweicht worden, welche sich seit Jahren zusammendrängen. Nein, es war nicht Liebe, was Fräulein von Taverney für Herrn von Charny empfand. Sie stieß mit Gewalt einen solchen Gedanken zurück, weil sie sich geschworen hatte, nie etwas auf dieser Welt zu lieben.
Warum hatte sie aber denn so sehr gelitten, als Charny einige Worte der Ehrfurcht und Ergebenheit an die Königin gerichtet? Das war sicherlich Eifersucht.
Ja. Andree gestand sich, daß sie eifersüchtig, nicht auf die Liebe, die ein Mann für eine andere Frau als sie fühlen mochte, sondern auf die Frau war, die diese Liebe einflößen, empfangen, ermächtigen konnte.
Mit Schwermuth sah sie alle die schönen Verliebten des neuen Hofes um sie hergehen: diese muthigen Leute voll Eifer, die sie nicht begriffen und sich entfernten, nachdem sie ihr einige Huldigungen dargebracht, die Einen, weil ihre Kälte nicht Philosophie war, die Anderen, weil diese Kälte einen seltsamen Contrast mit den alten Leichtfertigkeiten bildete, in welchen Andree geboren worden sein mußte.
Und dann mißtrauen die Männer, mögen sie das Vergnügen suchen oder von Liebe träumen, der Kälte einer Frau von fünfundzwanzig Jahren, die schön, reich, die Günstlingin bei Königin ist, und allein, schweigsam, eisig und bleich, auf einem Wege geht, wo es zum höchsten Glück und zur höchsten Freude gereicht, einen ungeheuren Lärmen zu machen.
Ein lebendiges Räthsel sein ist kein Reiz, kein Anziehungsmittel; das hatte Andree wohl bemerkt; sie hatte die Augen allmälig sich von ihrer Schönheit abwenden, die Geister ihrem Geiste mißtrauen oder ihn leugnen sehen. Sie sah sogar mehr: diese Vernachlässigung wurde eine Gewohnheit bei den Alten, ein Instinct bei den Neuen; es war ebenso wenig gebräuchlich, Fräulein von Taverney anzureden und mit ihr zu sprechen, als es Gewohnheit war, Latona oder Diana in Versailles in ihrem kalten Gürtel von geschwärztem Wasser anzureden. Jeder, der Fräulein von Taverney gegrüßt, seine Pirouette gemacht und einer andern Frau zugelächelt hatte, hatte auch seine Pflicht erfüllt.
Alle diese Nuancen entgingen dem scharfen Auge Andree's nicht. Sie, deren Herz allen Kummer empfunden hatte, ohne ein einziges Vergnügen zu kennen; sie, die das Alter mit einem Gefolge von bleichem Verdrusse und schwarzen Erinnerungen vorrücken fühlte, sie rief in der Stille denjenigen, welcher bestraft, mehr an, als denjenigen, welcher verzeiht, und indem sie, in ihren schmerzlichen Schlaflosigkeiten, die den glücklichen Liebenden von Versailles als Futter gebotenen Wonnen an sich vorüberziehen ließ, seufzte sie mit einer tödtlichen Bitterkeit:
»Und ich! mein Gott! Und ich!«
Als sie am Tag der großen Kälte Charny fand, als sie die Augen des jungen Mannes sich neugierig auf sie heften und sie allmälig mit einem sympathischen Netze umgeben sah, da erkannte sie nicht mehr die seltsame Zurückhaltung, welche alle Höflinge ihr gegenüber zeigten. Für diesen Mann war sie eine Frau. Er hatte in ihr die Jugend wiedererweckt und den Tod galvanisirt; er hatte den Marmor Diana's und Latona's erröthen gemacht.
Fräulein von Taverney schloß sich auch rasch an diesen Regenerator an, der ihr selbst ihre eigene Lebenskraft wieder zum Bewußtsein gebracht hatte. Sie fühlte sich glücklich, diesen Mann anzuschauen, für den sie kein Räthsel war. Sie war unglücklich bei dem Gedanken, eine andere Frau werde ihrer azurblauen Phantasie die Flügel abschneiden, ihren Traum rauben, der kaum aus dem goldenen Thore hervorgegangen.
Man wird uns verzeihen, daß wir auf diese Art erklärt haben, warum Andree Philipp nicht aus dem Cabinet der Königin folgte, obgleich sie unter der ihrem Bruder angethanen Beleidigung gelitten hatte, obgleich dieser Bruder für sie eine Vergötterung, eine Religion, beinahe eine Liebe war.
Fräulein von Taverney, welche nicht wollte, daß die Königin unter vier Augen mit Charny blieb, mischte sich, nachdem man ihren Bruder weggeschickt, nicht mehr in's Gespräch.
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