Das Halsband der Koenigin 2
setzte sich an die Ecke des Kamins, den Rücken beinahe der Gruppe zugewendet, die die Königin, welche saß, Charny, der halb vorgebeugt stand, und Frau von La Mothe bildeten, die sich aufrecht in der Fenstervertiefung hielt, wo ihre falsche Bescheidenheit ein Asyl, ihre wirkliche Neugierde einen günstigen Beobachtungspunkt suchte.
Die Königin blieb einige Minuten schweigsam; sie wußte nicht, wie sie ein neues Gespräch an die so heikle Erklärung, welche so eben stattgefunden, anknüpfen sollte.
Charny schien leidend, und seine Haltung mißfiel der Königin nicht.
Marie Antoinette brach am Ende das Stillschweigen und sagte plötzlich, sowohl ihren eigenen Gedanken, als den der Andern beantwortend:
»Das beweist, daß es uns nicht an Feinden fehlt. Sollte man glauben, daß so erbärmliche Dinge am Hof von Frankreich vorgehen? Sollte man es glauben?«
Charny erwiderte nichts.
»Welch ein Glück,« fuhr die Königin fort, »welch ein Glück, auf Ihren Schiffen in der freien Luft, auf der See zu leben! Man spricht uns Stadtleuten vom Zorne, von der Bosheit der Wellen vor. Oh! mein Herr, mein Herr, schauen Sie sich an! Haben die Wellen des Oceans, die wüthendsten Wellen nicht den Schaum ihres Zornes auf Sie geworfen? Haben ihre Stürme Sie nicht zuweilen, ja sogar oft auf dem Verdeck Ihres Schiffes umgeworfen? Schauen Sie sich an, Sie sind jung, Sie sind gesund, Sie sind geehrt.«
»Madame!«
»Haben die Engländer Ihnen nicht auch ihren Zorn von Flammen und Kartätschen zugeschleudert, einen für das Leben so gefährlichen Zorn? Doch was ist Ihnen daran gelegen? Sie sind unversehrt, Sie sind stark, und wegen des Zornes der Feinde, die Sie besiegt, hat Sie der König beglückwünscht, geliebkost, das Volk kennt und liebt Sie.«
»Nun! Madame?« murmelte Charny, der mit Bangigkeit fah, daß Marie Antoinette sich allmälig fieberisch exaltirte.
»Worauf will ich kommen?« sagte sie; »ah! ja: Gesegnet seien die Feinde, die auf uns die Flamme, das Eisen, die schäumende Welle schleudern; gesegnet seien die Feinde, die nur mit dem Tode drohen!«
»Mein Gott! Madame,« erwiderte Charny, »es gibt keine Feinde für Eure Majestät; so wenig als es Schlangen für den Adler gibt. Alles, was unten am Boden kriecht, bewegt diejenigen nicht, welche in den Wolken schweben.«
»Mein Herr,« entgegnete rasch die Königin, »ich weiß, Sie sind gesund und unversehrt aus der Schlacht, gesund und unversehrt aus dem Sturme zurückgekommen; Sie sind triumphirend und geliebt zurückgekommen, während diejenigen, deren Ruf ein Feind, wie wir sie haben, mit seinem verleumderischen Geifer beschmutzt, allerdings für ihr Leben keine Gefahr laufen, aber nach jedem Sturme altern; sie gewöhnen sich daran, die Stirne zu beugen, weil sie fürchten müssen, wie ich heute, der doppelten, in einem einzigen Angriff verschmolzenen Beleidigung durch Feinde und Freunde zu begegnen. Und dann, mein Herr, wenn Sie wüßten, wie hart es ist, gehaßt zu werden!«
Andree erwartete voll Angst die Antwort des jungen Mannes; sie zitterte, er würde mit der liebevollen Tröstung antworten, um welche die Königin anzusuchen schien.
Charny aber wischte, ganz im Gegentheil, mit seinem Sacktuch die Stirne ab, suchte einen Stützpunkt auf der Lehne eines Fauteuil und erbleichte.
Die Königin schaute ihn an.
»Ist es nicht zu warm hier?« fragte sie.
Frau von La Mothe öffnete das Fenster mit ihrer kleinen Hand, welche an der Stange rüttelte, wie es nur die kräftige Faust eines Mannes gethan hätte. Charny schlürfte die Luft nur mit Wonne ein.
»Der Herr ist an den Seewind gewöhnt, er wird in den Boudoirs von Versailles ersticken.«
»Das ist es nicht, Madame, aber ich habe um zwei Uhr einen Dienst, und wenn mir Eure Majestät nicht zu bleiben befiehlt ...«
»Nein, mein Herr,« sagte die Königin, »wir wissen, was ein Befehl ist, nicht wahr, Andree?«
Dann wandte sie sich gegen Charny um und fügte mit leicht gereiztem Tone bei:
»Sie sind frei, mein Herr.«
Und sie entließ den jungen Mann mit einer Geberde.
Charny verbeugte sich wie ein Mensch, der Eile hat, und verschwand hinter dem Thürvorhang.
Nach einigen Secunden hörte man im Vorzimmer etwas wie eine Klage und wie ein Geräusch, das mehrere Personen machen, die sich drängen.
Die Königin war nahe an der Thüre – ob nun aus Zufall, oder daß sie Charny nachschauen wollte, dessen hastiger Abgang ihr seltsam vorgekommen war.
Sie hob den Thürvorhang auf, stieß einen
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