Das Halsband der Koenigin 2
sie eine so beklagenswerthe Pein verschwinden machen; sie konnte alle diese Anklagen aus der Vergangenheit vernichten und die Königin für die Zukunft retten.
Doch ihr Herz zog sie nicht dahin; ihr Interesse hielt sie von einer solchen Handlungsweise ab. Sie sagte sich, es sei nicht mehr Zeit, sie habe schon in Beziehung auf die Kufe gelogen, und wenn sie ihr Wort zurücknehme, wenn sie sehen lasse, sie habe einmal gelogen, wenn sie der Königin zeige, sie habe sie bei der ersten Anklage nicht schnell genug unterstützt, so richte sich die neue Günstlingin auf den ersten Schlag zu Grunde, zerstöre den Nutzen ihrer zukünftigen Gunst; sie schwieg.
Da wiederholte der König mit einer Miene voll Bangigkeit:
»Auf dem Opernball? Wer hat hievon gesprochen? Weiß es der Herr Graf von Provence?«
»Aber es ist nicht wahr!« rief die Königin mit dem Ausdruck einer verzweifelten Unschuld. »Es ist nicht wahr; der Herr Graf von Artois täuscht sich; Herr von Taverney täuscht sich. Sie täuschen sich, Herr von Charny. Oh! man kann sich täuschen.«
Alle verbeugten sich.
»Auf!« rief die Königin, »man lasse meine Leute, man lasse alle Welt kommen. Man befrage! Nicht wahr, am Sonnabend war dieser Ball?«
»Ja, meine Schwägerin.«
»Nun! was habe ich am Sonnabend gethan? Man sage es mir, denn ich werde wahrhaftig toll, und wenn das so fortgeht, so werde ich am Ende selbst glauben, ich sei auf diesem infamen Opernball gewesen; doch wenn ich dahin gegangen wäre, meine Herren, so würde ich es sagen.«
Plötzlich näherte sich der König mit fröhlichem Auge, heiterer Stirne, ausgestreckten Händen, und fragte:
»Sonnabend, nicht wahr, meine Herren, Sonnabend?«
»Ja, Sire.«
»Nun wohl!« fuhr er immer ruhiger, immer heiterer fort, »darüber darf man Niemand als Ihre Kammerfrau fragen, Marie« Sie wird sich vielleicht erinnern, zu welcher Stunde ich an diesem Tage bei Ihnen eingetreten bin; es war, glaube ich, gegen elf Uhr Abends.«
»Ah!« rief die Königin, berauscht vor Freude, »ja, Sire.«
Und sie warf sich in seine Arme; dann plötzlich roth und verwirrt, weil sie sich angeschaut sah, verbarg sie ihr Gesicht an der Brust des Königs, der zärtlich ihre schönen Haare küßte.
»Wohl!« sagte der Graf von Artois, ganz verblüfft zugleich vor Erstaunen und Freude, »ich werde mir eine Brille kaufen; doch, bei Gott! ich gäbe diese Scene nicht für eine Million, nicht wahr, meine Herren?«
Philipp war, bleich wie der Tod, an das Täfelwerk angelehnt. Kalt und unempfindlich, hatte Charny seine von Schweiß triefende Stirne abgewischt.
»Darum, meine Herren,« sprach der König, freudig bei der Wirkung verweilend, die er hervorgebracht, »darum ist es unmöglich, meine Herren, daß die Königin in jener Nacht auf dem Opernball war. Glauben Sie es, wenn es Ihnen gutdünkt; ich bin fest überzeugt, die Königin begnügt sich damit, daß ich ihr glaube.«
»Gut,« fügte der Graf von Artois bei, »der Herr Graf von Provence mag davon denken, was er will, aber ich fordere seine Frau heraus, auf dieselbe Art ein Alibi zu beweisen, wenn man sie einmal anklagen wird, sie habe die Nacht auswärts zugebracht.«
»Mein Bruder!«
»Sire, ich küsse Ihnen die Hände.«
»Carl, ich gehe mit Ihnen,« sagte der König, nachdem er der Königin einen letzten Kuß gegeben.
Philipp hatte sich nicht gerührt.
»Herr von Taverney!« sprach die Königin mit strengem Tone, »begleiten Sie den Herrn Grafen von Artois nicht?«
Philipp erhob sich plötzlich. Das Blut strömte nach seinen Schläfen und seinen Augen. Er war einer Ohnmacht nahe. Kaum hatte er die Kraft, zu grüßen, Andree anzuschauen, einen furchtbaren Blick auf Charny zu werfen und den Ausdruck seines wahnsinnigen Schmerzes zurückzudrängen.
Er ging hinaus.
Die Königin behielt Andree und Herrn von Charny bei sich.
Die Lage Andree's, welche zwischen ihren Bruder und die Königin zwischen ihre Freundschaft und ihre Eifersucht gestellt war, hätten wir nicht zu skizziren vermocht, ohne den Gang der dramatischen Scene, worin der König wie eine glückliche Entwickelung erschien, langsamer zu machen.
Nichts verdient indessen mehr unsere Aufmerksamkeit, als das Leiden Andree's. Sie fühlte, daß Philipp sein Leben gegeben hätte, um dieses Zusammensein von Marie Antoinette und Charny zu verhindern, und sie gestand sich, daß sie selbst ihr Herz brechen gefühlt haben würde, hätte sie, um Philipp zu folgen und ihn zu trösten, wie sie es thun mußte,
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