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Das Halsband der Koenigin 2

Das Halsband der Koenigin 2

Titel: Das Halsband der Koenigin 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Aeltere)
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weniger.«
    Die Konigin antwortete nicht, sie machte ihre Hand los und verschwand.

LI.
Worin nachgewiesen wird, daß die Öffnung des Herzens viel schwieriger ist, als die des Körpers.
    Der Doctor blieb nachdenkend stehen und schaute der weggehenden Königin nach.
    Dann sagte er den Kopf schüttelnd zu sich selbst:
    »Es gibt in diesem Schloß Geheimnisse, die nicht in's Gebiet der Wissenschaft gehören. Gegen die einen bewaffne ich mich mit der Lancette und durchsteche ihnen die Adern, um sie zu heilen; gegen die anderen bewaffne ich mich mit dem Vorwurf, und durchsteche ihnen das Herz; werde ich sie heilen?«
    Dann, als der Anfall vorüber war, schloß er Charny die Augen, welche offen und starr geblieben, erfrischte ihm die Schläfe mit Wasser und Essig, und traf um ihn her die Vorkehrungen, welche die glühende Atmosphäre des Kranken in ein Paradies der Wonne verwandeln.
    Hierauf, als er Ruhe in die Züge des Kranken zurückkehren sah, als er bemerkte, daß sich sein Schluchzen ganz sachte in Seufzer verwandelte, daß unbestimmte Sylben statt wüthender Worte aus seinem Munde kamen, sagte er:
    »Ja, ja, das war nicht nur Sympathie, sondern auch Einfluß; dieses Delirium hatte sich erhoben, als wollte es dem Besuch, den der Kranke erhalten, entgegenkommen; ja, die menschlichen Atome versetzen sich wie der befruchtende Staub; ja, der Geist hat unsichtbare Verbindungen, die Herzen haben geheime Beziehungen.«
    Plötzlich bebte er, wandte sich, gleichsam mit dem Auge und mit dem Ohr horchend, um und murmelte:
    »Wer ist wieder da?«
    Er hatte wirklich etwas wie ein Gemurmel, wie das Rauschen eines Kleides am Ende der Flur gehört.
    »Das kann unmöglich die Königin sein,« sagte er; »sie würde von einem ohne Zweifel unabänderlichen Entschluß nicht abgehen. Wir wollen sehen.«
    Und er öffnete sachte eine andere Thüre, welche auch auf den Corridor ging, streckte geräuschlos den Kopf hinaus und sah zehn Schritte von sich eine Frau in langem Gewande mit unbeweglichen Falten und der kalten, trägen Bildsäule der Verzweiflung ähnlich.
    Es war Nacht, das schwach Licht, das im Gange stand, konnte diesen nicht von einem Ende zum andern beleuchten; doch durch ein Fenster drang ein Mondstrahl, der auf sie fiel und sie sichtbar machte, bis zu dem Augenblick, wo eine Wolke zwischen sie und den Strahl treten würde.
    Der Doctor kehrte sachte zurück und durchschritt den Raum, der eine Thüre von der andern trennte; dann öffnete er geräuschlos, aber rasch diejenige, hinter welcher die Frau verborgen war.
    Sie gab einen Schrei von sich, streckte die Hände aus und begegnete den Händen des Doctors.
    »Wer ist da?« fragte er mit einer Stimme, in der mehr Mitleid, als Drohung lag; denn gerade an der Unbeweglichkeit dieses Schattens errieth er, daß derselbe mehr mit dem Herzen als mit dem Ohr horchte.
    »Ich, Doctor, ich,« erwiderte eine sanfte und traurige Stimme.
    Obgleich diese Stimme dem Doctor nicht unbekannt war, erweckte sie doch in ihm nur eine unbestimmte, entfernte Erinnerung.
    »Ich, Andree von Taverney, Doctor.«
    »Ah! mein Gott, was gibt es denn?« rief der Doctor. »Ist sie unpäßlich geworden?«
    » Sie !« rief Andree. » Sie ! welche sie denn?«
    Der Doctor fühlte, daß er eine Unvorsichtigkeit begangen hatte.
    »Verzeihen Sie, ich sah so eben eine Frau weggehen. Vielleicht waren Sie es?«
    »Ah! ja,« versetzte Andree, »nicht wahr, es ist eine Frau vor mir hierher gekommen?«
    Andree sprach diese Worte mit einer glühenden Neugierde, die dem Doctor über das Gefühl, das sie dictirt hatte, keinen Zweifel ließ.
    »Mein liebes Kind,« sagte der Doctor, »mir scheint, wir mißverstehen uns. Von wem sprechen Sie? was wollen Sie von mir? erklären Sie sich.«
    »Doctor,« erwiderte Andree mit einem so traurigen Ton, daß er dem Frager bis in die Tiefen seines Herzens drang. »Guter Doctor, versuchen Sie es nicht, mich zu täuschen, Sie, der Sie die Gewohnheit haben, mir die Wahrheit zu sagen; gestehen Sie, daß soeben eine Frau hier war, gestehen Sie es mir, denn ich habe sie gesehen.«
    »Ei! wer sagt Ihnen denn, es sei Niemand hierher gekommen?«
    »Ja, aber eine Frau, eine Frau, Doctor!«
    »Allerdings eine Frau; wollen Sie nicht etwa die These behaupten, eine Frau sei nur bis zum vierzigsten Jahre Frau?«
    »Diejenige, welche hierher gekommen ist, war vierzig Jahre alt, Doctor!« rief Andree, zum ersten Male athmend, »ah!«
    »Wenn ich sage vierzig, schenke ich ihr noch fünf bis sechs gute

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