Das Halsband der Koenigin 2
Warum des Teufels soll ich mich, wenn ich das Spiel der Muskeln und der Nerven so gut kenne, in das Spiel der Launen und Leidenschaften der Weiber mischen? ... Mein Fräulein, Sie haben erfahren, was Sie zu wissen wünschten. Machen Sie, daß Herr von Taverney entflieht, oder machen Sie es nicht, das ist Ihre Sache. Meine Pflicht ist es, daß ich den Verwundeten ... heute Nacht zu retten suche, sonst würde mir ihn der Tod, der seine Arbeit ruhig fortsetzt, in vierundzwanzig Stunden entführen. Gott befohlen!«
Und er schloß sachte, aber entschieden die Thüre hinter ihr.
Andree fuhr krampfhaft mit der Hand über die Stirne, sie sah sich allein, allein mit dieser gräßlichen Wirklichkeit. Es kam ihr vor, als stiege der Tod, von welchem der Doctor so kalt gesprochen, in dieses Zimmer herab und ginge in weißem Schweißtuch durch die finstere Flur.
Der Wind der Grauen erregenden Erscheinung vereiste ihre Glieder; sie entfloh bis in ihre Wohnung, drehte den Schlüssel dreimal im Schlosse um, fiel auf den Teppich vor ihrem Bette auf beide Kniee und rief mit einer wilden Energie und unter Strömen glühender Thränen:
»Mein Gott! mein Gott! Du bist nicht ungerecht, Du bist nicht thöricht; Du bist nicht grausam, mein Gott! Du vermagst Alles, Du wirst diesen jungen Mann nicht sterben lassen, der nichts Böses gethan hat und auf dieser Welt geliebt wird. Wein Gott! wir armen Menschen glauben wahrhaftig nur an die Macht Deiner Gutthätigkeit, obschon wir bei jedem Anlaß vor der Macht Deines Zornes zittern. Doch ich ... ich ..., die ich Dich anflehe, bin auf dieser Welt genug geprüft worden, ich habe genug gelitten, ohne ein Verbrechen begangen zu haben ... Nun! ich habe mich nie beklagt, nicht einmal bei Dir, ich habe nie an Dir gezweifelt. Wenn Du heute, da ich Dich bitte, heute, da ich Dich beschwöre, heute, da ich um das Leben eines jungen Mannes bitte, mich zurückwiesest, o mein Gott, ich würde sagen, Du habest gegen mich alle Deine Kräfte mißbraucht, und Du seist ein Gott des düsteren Zorns, der unbekannten Rache, ich würde sagen ... Oh! ich blasphemire, vergib, ich blasphemire ... und Du schlägst mich nicht. Vergebung, Vergebung! Du bist wohl der Gott der Milde und Barmherzigkeit.«
Andree fühlte ihre Sehkraft erlöschen, ihre Muskeln sich biegen; sie warf sich leblos, mit aufgelösten Haaren, zurück und blieb wie eine Leiche auf dem Boden liegen.
Als sie wieder aus diesem kalten Schlafe erwachte, und ihr Alles in den Geist kam, Gespenster und Schmerzen, murmelte sie mit einem düsteren Ausdruck:
»Mein Gott, Du bist unbarmherzig gewesen; Du hast mich bestraft, ich liebe ihn! Oh! ... ja, ich liebe ihn! nicht wahr, das ist genug? Wirst Du mir ihn jetzt tödten?«
LII.
Delirium.
Gott hatte ohne Zweifel das Gebet Andree's gehört. Herr von Charny unterlag seinem Fieberanfall nicht.
Am andern Tage, als sie voll Gierde alle Nachrichten verschlang, die ihr von dem Verwundeten zukamen, ging dieser durch die Wege des guten Doctors Louis vom Tode zum Leben über. Die Entzündung hatte der Energie und dem Gegenmittel nachgegeben. Die Heilung begann.
Sobald Charny gerettet war, beschäftigte sich Louis um die Hälfte weniger mit ihm; der Gegenstand hörte auf, interessant zu sein. Für den Arzt ist der Lebende sehr wenig, besonders wenn er in der Genesung begriffen ist, oder wenn er sich wohl befindet.
Nach Verlauf von acht Tagen jedoch, in denen sich Andree völlig beruhigte, hielt es Louis, der alle Offenbarungen des Kranken während der Krise auf dem Herzen hatte, für gut, Charny an einen entfernten Ort bringen zu lassen. Er wollte das Delirium in eine andere Gegend versetzen.
Aber Charny weigerte sich bei den ersten Versuchen, welche gemacht wurden. Er schlug von Zorn funkelnde Augen zum Doctor auf und sagte ihm, er sei beim König, und Niemand habe das Recht, einen Mann wegzujagen, dem Seine Majestät ein Asyl gebe.
Der Doctor, der gegen widerspänstige Genesende nicht geduldig war, ließ ganz einfach vier Knechte eintreten und befahl ihnen, den Verwundeten aufzuheben.
Aber Charny klammerte sich an das Holz seines Bettes an, schlug heftig einen der Männer und bedrohte die Anderen wie Carl XII. bei Bender. Der Doctor versuchte es mit vernünftigem Zureden. Charny war Anfangs ziemlich logisch; als aber die Knechte beharrlich ihre Arbeit fortsetzen wollten, machte er eine so gewaltige Gegenanstrengung, daß seine Wunde sich wieder öffnete und mit seinem Blute seine Vernunft entfloh. Er war in
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