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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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mein Freund dem Russen erklärte, war mir bereits bekannt, aber karge Worte auf einem Zettel sind etwas anderes als die zusammenhängende Schilderung des deduktiven Prozesses.
    »Ich schickte Watson ins Zimmer, um zwei Dinge zu holen: das Stethoskop und meine Geige. Die Geige brauchte ich für meine Arbeit, das Stethoskop dagegen war, ehrlich gesagt, ohne jeden Belang. Aber bei meiner Anweisung maß ich ihm große Bedeutung zu. Die Geige jedoch erwähnte ich mit keinem Wort, sondern beschränkte mich auf eine Geste. Die Falle funktionierte. Aus Angst vor dem wundertätigen Stethoskop bestrich der Täter eine Treppenstufe mit Türfett und schaltete obendrein das Licht aus. Der arme Watson musste einfach ausrutschen. Dabei zerbrach das empfindliche Stethoskop natürlich. Der Geige in ihrem robusten Kasten geschah nichts. Und nur sie brauchte ich.«
    »Das ist unmöglich«, unterbrach der Russe Holmes.
    »Wieso, Sir? Was genau erscheint Ihnen unmöglich?«
    Holmes Lippen kräuselten sich zu einem ironischen Lächeln.
    »Es ist unmöglich, dass Monsiuer Des Essarts zu der B-bande gehört.«
    »Dürfte ich den Grund für diese kategorische Behauptung erfahren?«
    Mein Freund war offenkundig erstaunt.
    Fandorin sah ihn nicht weniger erstaunt an.
    »Aber das hieße ja, dass Mademoiselle Des Essarts nicht die ist, für die sie sich ausgibt, sondern eine gerissene Betrügerin, eine Komplizin von Lupin.«
    Holmes zuckte die Achseln.
    »Selbstverständlich.«
    Fandorin sah mich schweigend an, und ich verstand diesen Blick sehr gut.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, unternehmen Sie nichts und bleiben Sie, wo Sie sind«, riet ich Des Essarts und trennte die Verbindung.
    »Was tun Sie da, Watson?«, schrie Holmes. »Ich habe doch gesagt, Sie sollen diesen Banditen am Telefon festhalten!«
    »Er hat recht. Eugénie kann keine Verbrecherin sein. Also ist Des Essarts tatsächlich ihr Vater und der Schlossherr.«
    Es fiel mir schwer, so mit meinem Freund zu sprechen, noch dazu in Gegenwart seines Konkurrenten, doch das Pflichtgefühl obsiegte.
    »Holmes« – ich stockte –, »nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie verstehen nichts von Frauen … Miss Eugénie … Ich habe keine rationalen Argumente, aber mir vorzustellen, sie wäre eine Heuchlerin und Betrügerin … Ich muss Mr. Fandorin zustimmen. Das ist unmöglich. Einfach unmöglich, und basta.«
    Mein genialer Freund ist unfehlbar in allem, was mit Logik und Vernunft zu tun hat, doch mitunter gräbt seine übermäßige mathematische Exaktheit ihm eine Grube. Immer, wenn er sich irrte (und das geschah im Laufe seiner Karriere nur wenige Male), waren Frauen daran schuld. Besser gesagt, Holmes’ rein theoretische Kenntnis ihrer emotionalen und psychischen Beschaffenheit. Ich vermute, seine starrsinnigen Vorurteile gegen das schöne Geschlecht liegen genau darin begründet: Die Frau ist eine Gleichung, die sich nicht berechnen lässt.
    Meine Worte verletzten Holmes sichtlich, er hielt sie bestimmt für Wahn oder, schlimmer noch, für Verrat.
    »Nun, meine Herren Kenner der weiblichen Natur.« Er paffte ärgerlich seine Pfeife. »Dann bin ich still. Und gespannt, Ihre Hypothese zu hören.«
    Ich schwieg, denn erstens fühlte ich mich als Verräter, und zweitens hatte ich keine Hypothese anzubieten.
    Der Japaner kam zurück und blieb schweigend an der Tür stehen. Seine Wange zierte ein frisches Pflaster. Er und Fandorin wechselten ein paar zischelnde Worte, dann zog sich Shibata erneut tief in den Flur zurück, zur Treppe.
    »Ich stimme Ihnen zu, dass die Bande aus zwei K-Komplizen besteht.« Der Russe wandte sich vor allem an Holmes – dies war einDuell zweier Götter, der Japaner und ich waren nur schweigsame Zuschauer. Aber auf mehr spekulierte ich auch nicht.
    »Einer von ihnen ist ›Bosquot‹, der andere ›Lebrun‹. Sie auf frischer Tat zu ertappen ist uns nicht geglückt. Und wir haben keinerlei direkte Beweise, nur Indizien. ›Bosquot‹ läuft noch herum, doch der ›Professor‹ im Turm entgeht uns nun nicht mehr. Masa bewacht die Treppe.«
    »Und das Mädchen?«, sagte ich, meine Statistenrolle vergessend. »Sie ist schließlich in seiner Gewalt!«
    »Sie wollen nicht das Mädchen. Sie wollen den Sack mit dem G-geld. Die Täter sind sich sicher, dass sie uns überlisten können. Das beweist der Trick mit den Schüssen. Sollen sie sich das ruhig einbilden. Wir werden den Pseudoprofessor unbedingt vernehmen, aber erst müssen wir das Versteck finden – bis zur

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