Das Halsband des Leoparden
festgesetzten Stunde bleibt nur noch wenig Zeit. Ich bin überzeugt, dass das Versteck tatsächlich existiert. Und ich glaube, ich weiß, wo es ist …«
»Tatsächlich?«, fragte Holmes rasch. »Interessant. In diesem Fall kann die Verhaftung des falschen Professors wirklich warten. Na los, Watson, rufen Sie Des Essarts an. Mal sehen, ob er noch an seinem Platz ist oder ob er ins Schloss zurückgeeilt ist, um uns zu belauschen.«
Ich drehte die Kurbel.
Der Hausherr hob sofort ab.
»Mein Gott, ich dachte, das Telefon sei wieder außer Betrieb! Sind Sie es, Doktor? Was soll ich tun? Bosquot ist noch immer nicht zurück …«
Mit einer vielsagenden Geste deutete ich, an Holmes gewandt, auf den Hörer: Überzeugen Sie sich selbst, Des Essarts ist noch da, er sitzt nach wie vor in der Wohnung des Verwalters und kann uns keinesfalls belauschen. Mein Freund verzog gereizt das Gesicht; er gibt es äußerst ungern zu, wenn er sich geirrt hat.
Des Essarts piepste mir also wieder ins Ohr, doch ich hörte nicht ihm zu, sondern Fandorin.
»Es ist vorerst nur eine V-vermutung, die noch überprüft werden muss. Aber eine recht wahrscheinliche.« Der Russe blickte auf die Uhr, die zehn Minuten vor elf zeigte, und sprach schneller. »Als wir dieses sonderbare Haus besichtigten, sahen wir viel Außergewöhnliches und K-kurioses. Das lenkte unsere Aufmerksamkeit ab, darum fiel ein Detail mir erst im Nachhinein auf. Haben Sie bemerkt, dass im Keller nur ein einziger Raum in absoluter Sauberkeit und Ordnung gehalten ist?«
Holmes lachte herablassend.
»Selbstverständlich. Das Orgelzimmer. Ausgezeichnet, Mr. Fandorin. Fahren Sie fort.«
»Das ist mir auch aufgefallen!«, sagte ich. »Besonders verdächtig schien mir das Mephistopheles-Bild. Erinnern Sie sich, ich habe es sogar abgenommen und an dem Nagel gerüttelt, an dem es hängt.«
»Warten Sie, Watson. Mr. Fandorin möchte mit uns nicht über Malerei sprechen, sondern über eine andere Kunst.«
Der Russe zog leicht die Brauen zusammen.
»D-das haben Sie also auch …?«, fragte er.
Was »auch«? Was meinte er? Es ist nicht leicht, dem Gespräch von Männern zu folgen, die viel scharfsinniger sind als man selbst und sich auch noch voreinander spreizen.
»Was dachten Sie denn?« Holmes lachte spöttisch.
Fandorin war sichtlich enttäuscht.
»Ach, richtig, Sie sind ja Geiger. Ich dagegen habe nie ein Instrument gelernt.«
Da hatte meine Geduld ein Ende.
»Ich bitte Sie, meine Herren! Hören Sie auf, in Rätseln zu sprechen! Das ist unhöflich mir gegenüber und außerdem einfach dumm! Während Sie sich hier voreinander aufplustern, tickt das Uhrwerk, der eine Verbrecher läuft frei herum, und der andere …«
Ich kam nicht zu Ende – erneut ging das Licht aus, und ich verstummte mitten im Wort.
Diesmal traf uns die Tücke der Elektrizität (oder Lupins) nicht unvorbereitet. Fandorin stocherte im Kamin herum, doch die Glut war bereits erloschen. Ich zündete die Kerzen an, und es wurde wieder hell im Speisezimmer. Nicht ganz so wie zuvor, aber hell genug, sodass wir einander sehen konnten.
»Danna!«, rief Shibata aus dem Flur und fügte noch etwas hinzu.
»Masa sagt, er hört seltsame G-geräusche vom Turm.«
Wir lauschten.
Ja, von oben kam eine Stimme. Sie klang dünn, klagend oder erschrocken.
»Sollten wir nicht lieber in den Turm …«, begann ich.
Ein gellender, markerschütternder Schrei unterbrach mich.
Das war Eugénie!
Wie auf Kommando liefen wir alle drei los. Der Japaner war nicht mehr im Flur, sondern vermutlich bereits auf der Treppe.
Holmes und ich mussten um den langen Tisch herumlaufen, darum verließen wir das Zimmer als Letzte und stießen an der Tür auch noch mit den Schultern zusammen.
»Bleiben Sie hier! Der Sack!«, flüsterte Holmes mir ins Ohr.
Er und Fandorin bogen zur Treppe ab und rannten die Stufen hinauf, ich aber blieb im dunklen Flur.
Holmes ist ein Genie, dachte ich in diesem Augenblick. Das ist wahrscheinlich wieder ein Trick von Lupin, um uns aus dem Speisezimmer zu locken und in den Besitz des Geldes zu gelangen. Doch der Schrei von Miss Eugénie hatte nach echtem Leid und Entsetzen geklungen …
Egal, in wenigen Augenblicken waren die beiden Detektive bei ihr und würden ihr helfen, ich aber hatte meine Aufgabe.
Ich zog den Revolver, blickte mich nach einem Versteck um undbemerkte die nur angelehnte Tür eines Wandschranks. Von dort aus musste der ganze Raum gut einzusehen sein.
Gebückt trat ich in den nach
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