Das Halsband des Leoparden
drittens.«
»Lebrun-Sensei ist ein Komplize von Arsène Lupin?«, rief ich.
»Zweifellos. Oder er ist Lupin selbst.« Die runden Augen von Fandorin-Dono sahen befriedigt, dass ich ein verblüfftes Gesicht machte. Ich weiß, dass ihm das gefällt, und gebe mir immer alle Mühe. »Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Arsène Lupin spielt entweder die Rolle des Professors oder die des Verwalters. Plan und Durchführung dieser Operation sind das Werk dieses Pärchens. Wir wissen, das Bosquot erst seit kurzem hier arbeitet und sogleich das Vertrauen des Schlossherrn erlangt hat. Das ist Lupins übliche Methode. Er dringt häufig entsprechend maskiert in ein reiches Haus ein und spioniert aus, was es dort zu holen gibt. Manchmal überlässt er das auch jemandem aus seiner Bande. Selten sind mehr als zwei, drei Personen beteiligt. Ich weiß nicht, was Lupin ursprünglich vorhatte, aber der Unfall des Mädchens hat die Ereignisse beschleunigt. Der Schurke ersann einen gemeinen, aber äußerst effektiven Plan, um Des Essarts ohne das geringste Risiko auszurauben.«
Fandorin-Dono überlegte.
»Ich denke, Lupin ist der Verwalter, und der sogenannte Professor ist sein Komplize. Hast du bemerkt, dass nicht Des Essarts selbst in der Pariser Klinik angerufen hat? Er wurde von Bosquot an den Apparat gerufen. Der bekümmerte Vater kam gar nicht auf die Idee, dass er nicht mit dem echten Lebrun sprach. Und darum durften die Banditen auf keinen Fall zulassen, dass ich Professor Smiley konsultiere.Ihre Finte, dass die Patientin nicht von der Stelle bewegt werden dürfe, wäre sofort aufgeflogen. Und darauf beruht schließlich der ganze Plan.«
»Und mit einer genauen Beschreibung Lupins von der Pariser Polizei hätten Sie den Verbrecher erkennen können – zum Beispiel an den Ohren«, ergänzte ich. »Ist Ihnen aufgefallen, dass Lebrun, den ich nun nicht mehr Sensei nennen werde, spitze Fledermausohren hat?«
»Mir ist aufgefallen, dass die Ohren von ›Monsieur Bosquot‹ vollkommen unter seinen Locken verborgen sind.«
Ich war ein wenig enttäuscht. Ich hatte auf ein etwas interessanteres Ende der Geschichte gehofft.
»Was jetzt?« Ich unterdrückte ein Gähnen. »Gehen wir los und schnappen uns erst den einen, dann den anderen?«
Fandorin-Dono schüttelte den Kopf.
»Nein, wir werden sie auf frischer Tat stellen. Bald kommt der Hausherr zurück. Mit dem Geld. Das ist unser Köder. Wir wissen, wer die Täter sind. Wir wissen, dass sie uns belauschen. Nun haben wir alle Trümpfe in der Hand. Ich vermute, als Nächstes geschieht Folgendes …«
Und er sagte verblüffend genau voraus, dass man uns unter irgendeinem Vorwand aus dem Zimmer mit dem Geld locken würde. Obwohl – sehr verblüfft war ich eigentlich nicht. Wenn man so lange einem solchen Menschen dient, lernt man, seinen Prophezeiungen zu vertrauen.
Als hinterm Haus Schüsse krachten, sahen wir uns an und verstanden uns ohne Worte. Das erloschene Licht bestätigte nur, dass Lupin zum letzten Schlag ausholte. Der Bandit wusste, dass man ihm das Geld nicht geben würde, und wollte es noch vor Mitternacht stehlen. Und das sollte sein Ende sein. Die über das Haus hereingebrochene Finsternis kam meinem Herrn und mir nur zupass.
Wir postierten uns an einem zuvor vereinbarten Ort, der wie geschaffen war für einen Hinterhalt. An den Wänden des Flurs zwischen Speisezimmer und Treppe standen zu beiden Seiten hohe Schränke mit diversem Gerät. Ich stellte mich in einen davon und zog die Tür zu, mein Herr bezog Stellung im Schrank gegenüber.
Wir mussten nicht lange warten. Ich hatte mir gerade die Augäpfel massiert, um im Dunkeln besser sehen zu können, als am anderen Ende des Speisezimmers eine Tür knarrte. Zwei Schatten verharrten auf der Schwelle, offensichtlich, damit sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Fandorin-Dono schlüpfte aus seinem Versteck und packte mich fest an der Schulter, damit ich nicht vor der Zeit loslief. Das kränkte mich ein wenig – ich war schließlich kein Anfänger! Ich spannte die Schultermuskeln an, und der Herr verstand und nahm seine Hand weg.
Eine der ins Speisezimmer gekommenen Personen erteilte mit Gesten Anweisungen. Das war zweifellos Lupin.
Sie gingen zum Tisch. Der Erste streckte die Hand aus und berührte den Sack mit dem Geld, als wolle er nur überprüfen, ob er da war.
Fandorin-Dono deutete schweigend auf den Zweiten: Der gehört dir.
Ich bekomme immer das Schlechtere ab, aber ich beklage mich nicht.
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