Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
Staub riechenden engen Raum und stieß auf etwas Weiches und offenkundig Lebendiges. Meiner Brust entrang sich ein Schrei – das heißt, würde sich entrungen haben, hätte mir nicht eine harte Hand den Mund zugehalten.
    »S-till, Sensei, s-till!«, flüsterte mir jemand ins Ohr. Shibata! Er war nicht die Treppe hinaufgeeilt, sondern nach dem Schrei von Miss Eugénie sofort in den Schrank geschlüpft – vermutlich in derselben Absicht wie ich. Interessant, dachte ich, bemüht, meinen Herzschlag zu bändigen, ist er selber so schlau oder war Fandorin so vorausschauend?
    Ich wollte meinen Nachbarn danach fragen, doch er versetzte mir mit dem Ellbogen einen heftigen Stoß in die Seite.
    »S-till!«
    Schritte! Vom Haupteingang her!
    Wir drückten uns an den Türspalt. Da ich größer war als der Japaner, befand sich sein Kopf in Höhe meines Kragens, und sein kurzgeschorener Schädel kitzelte mein Kinn.
    Bosquot! Es war Bosquot!
    Er schaute zur Tür herein, blickte sich um, lief auf Zehenspitzen zum Tisch, öffnete den Sack und kramte darin herum. Ich verstand nicht, warum er nicht einfach den ganzen Sack nahm.
    Mir einem wütenden Kreischen stürmte Shibata aus der Deckung. Ich hinterher.
    Eines muss man dem Dieb lassen – er behielt die Geistesgegenwart.
    Er packte mit beiden Händen die Tischdecke und riss sie an sich. Gläser und Teller stürzten zu Boden, polternd folgte der Kerzenleuchter und erlosch.
    Nun war es dunkel im Speisezimmer, und ich hatte Bosquot aus dem Blick verloren.
    Er uns auch – sonst wäre es nicht ohne Blutvergießen abgegangen, denn im nächsten Augenblick eröffnete der Verwalter das Feuer.
    Eine Schießerei auf so kurze Entfernung, noch dazu in einem geschlossenen Raum und in absoluter Finsternis, ist ein eindrucksvolles Spektakel. Wie ein naher Blitzeinschlag, nur noch effektvoller, besonders, wenn es dicht überm Kopf widerlich pfeift. Splitter regneten auf mich herab – das Fregattenmodell war in tausend Stücke zerbrochen.
    Ich fiel zu Boden, kniff die Augen zusammen (ich schäme mich, das einzugestehen, aber es ist die Wahrheit) und schoss blindlings.
    Im entfernten Teil des Hauses krachten ebenfalls Schüsse: einer, zwei, drei. Auch Holmes und Fandorin waren unter Beschuss geraten.
    Eine Tür schlug zu. Ich begriff, dass Bosquot das Speisezimmer verlassen hatte. Ich sprang auf, stürzte aber nach zwei Schritten erneut; ich war über etwas gestolpert. Der Ledersack! Ausgezeichnet! Der Täter war mit leeren Händen gegangen.
    Das verlieh mir sogleich neue Energie.
    Der Japaner nahm den Sack und presste ihn an sich. Nun, Mr. Shibata brachte ohnehin keinen großen Nutzen – da er keine Waffe bei sich hatte, konnte er mir sowieso nicht helfen. Mochte er also das Geld bewachen.
    Ich schaute zur Tür hinaus und entdeckte im Dunkeln eine Silhouette, die schon fast die Diele erreicht hatte. Das war der einzige Rückzugsweg, alle anderen Ausgänge hatten Fandorin und sein Assistent umsichtig verschlossen. Ich durfte nicht zulassen, dass Bosquot nach links ging. Wenn er hinauslief, verschwand er unauffindbar im dunklen Park. Ich stützte mit der linken Hand meinen rechten Arm ab und schoss mehrmals, wobei ich nicht auf den Fliehenden zielte, sondern auf den Türrahmen. Wie es schien, hatte meine Hand mir gehorcht. Nach den Geräuschen zu urteilen, warendie Kugeln genau dort eingeschlagen, wo sie treffen sollten: Ich hörte Holz splittern und Kugeln pfeifend abprallen.
    Der Schatten sprang nach rechts und rannte an der Diele vorbei ins Billardzimmer. Nun war er gefangen!
    Ich lief voran, den Revolver schussbereit. Der Japaner mir hinterher, den Sack im Arm. Auf der dunklen Seitentreppe ertönten erneut Schüsse.
    Ich kann stolz sagen, dass ich, nachdem ich mich vom ersten Schreck erholt hatte, die Geistesgegenwart nicht mehr verlor. Shibata dagegen hielt sich ängstlich die ganze Zeit hinter mir. Und da heißt es, die Nation der Samurai kenne keine Angst!
    Ich war mit dem Grundriss des Hauses recht gut vertraut. Im ersten Stock wandte sich Bosquot nach links, dort befand sich ein Zimmer mit nur einer Tür. Von dort gab es keinen Fluchtweg, höchstens durchs Fenster. Aber aus dem ersten Stock eines französischen Schlosses zu springen ist ziemlich riskant, dabei kann man sich alle Knochen brechen.
    Darum hatte ich keine Eile.
    Ich blickte ins Zimmer – ganz vorsichtig, um nicht unter Beschuss zu geraten. Und richtig! Direkt neben meinem Ohr ertönte ein scheußliches Klingen: Eine Kugel

Weitere Kostenlose Bücher