Das Halsband des Leoparden
irgendwie seltsam und sagte: ›Mademoiselle, haben Sie schon einmal von Arsène Lupin gehört? Das bin ich, in höchsteigener Person. Ich habe die dummen Spielchen satt. Schluss damit. Außerdem weiß ich, dass diese Starrköpfe das Geld nicht herausrücken werden. Also muss ich zu drastischen Mitteln greifen. Sie werden jetzt schreien, sehr laut und überzeugend. Wenn nicht, muss ich den Hebel drehen.‹ Ja, das sagte er. Ich begriff überhaupt nichts, obwohl ich sehr aufmerksam zugehört hatte. Sein Blick war so furchterregend!«
Sie schluchzte laut, ich beruhigte sie, und Fandorin sagte: »Damit ist die Sache klar. Bosquot ist der K-kundschafter, die Rolle der m-medizinischen Leuchte spielte der Anführer selbst. Lebrun –Lupin; allein die Ähnlichkeit der Namen zeugt von der Gasconade, von der Sie sprachen, Sir.«
Holmes bedeutete dem Russen, dass Miss Des Essarts weitersprechen wolle, und er verstummte.
»Ich versuchte zu schreien, wie er es verlangte … Aber er war nicht zufrieden. ›Sie sind leider eine erbärmliche Schauspielerin, Mademoiselle. Pech für Sie.‹ Und dann …« Ihre Stimme zitterte noch stärker. »Er ging zu dem Hebel und drehte mit aller Kraft daran … Der Schmerz war entsetzlich! Ich weiß nicht, ob ich schrie … An mehr erinnere ich mich nicht.«
Fandorin und Holmes rannten zur »Streckbank«, um die Spannung der Seile zu lockern. Ich untersuchte behutsam Hand- und Fußgelenke des unglücklichen Mädchens. Sie wiesen tiefe Einschnitte auf, hier und da war die Haut aufgeplatzt und blutete.
»Dieser Mistkerl!«, rief ich unbeherrscht. »Er ist noch gemeiner, als ich dachte!«
Selbst Holmes war erschüttert. Mit vor Erregung dumpfer Stimme sagte er: »Ich muss mich entschuldigen, Mademoiselle. Bei Ihnen und Ihrem Vater …«
»Wofür, Sir?«
Die tränennassen Augen sahen ihn erstaunt an.
»Unwichtig …«, murmelte Holmes, wandte sich ab und rekapitulierte betont sachlich den Gang der Ereignisse. »Nun ist alles klar. Bevor Sie das Bewusstsein verloren, stießen Sie einen Schrei aus, den wir selbst im Erdgeschoss nicht überhören konnten. Lupin stand dort im Gang. Er musste sich überzeugen, dass wir angebissen hatten. Als er uns kommen sah, schoss er dreimal, damit wir in Deckung gingen. Das gab ihm genug Zeit, in aller Ruhe aus dem Fenster zu klettern. Sein Komplize sollte währenddessen den Sack aus dem Speisezimmer stehlen. Trösten wir uns zumindest damit, dass der Schurke ihn nicht bekommen hat. Ich sehe, den Sack hat Mr. Shibata.«
Der Japaner verbeugte sich würdevoll. Ich musste mir eingestehen, dass er sich als Einziger von uns richtig verhalten und keinen Fehler gemacht hatte.
»Meine Herren, bis zum neuen Jahr sind es nur noch zweiundzwanzig Minuten«, mahnte ich. »Wir können auf keinen Fall hierbleiben. Wir müssen handeln! Wir werden Miss Des Essarts hinaustragen müssen. Wir haben keine Wahl! Wir müssen es riskieren. Vielleicht schieben wir einen Vorhang unter ihren Rücken und ziehen sie vorsichtig über den Boden?«
Meine Worte wurden mit einer erstaunlichen Gelassenheit aufgenommen. Bei Miss Eugénie, die noch ganz unter dem Eindruck der entsetzlichen Erschütterung stand, war das durchaus verständlich, zumal sie ja nichts von der Höllenmaschine wusste. Aber die anderen!
Holmes zum Beispiel sah mich an, als hätte ich etwas Dummes gesagt.
»Wir wollen nichts dramatisieren, mein lieber Watson. Ich denke, Miss Des Essarts wird den Raum auf ihren eigenen Beinen verlassen. Ich bin kein Arzt, aber ich erlaube mir, anzunehmen, dass der falsche Professor in seinem eigenen Interesse … die Schwere der Verletzung ein wenig übertrieben hat. Mademoiselle, versuchen Sie einmal, Ihre Gliedmaßen zu bewegen.«
Das Mädchen schaute ihn erschrocken an und wagte nicht, seiner Bitte nachzukommen. Sie blickte zu Fandorin. Der nickte beruhigend, und sie biss die Lippen zusammen und bewegte vorsichtig erst die Hände, dann die Füße.
Ich empfand eine ungeheure Erleichterung.
»Nun, was sagt unser Doktor?«, fragte Holmes.
»Sehen Sie das? Das Rückenmark ist nicht verletzt! Stehen Sie auf und gehen Sie!« rief ich, wobei mir in meiner Aufregung ganz entging, dass ich damit fast die Worte unseres Herrn Jesus an Lazarus zitierte.
Wir fassten die Unglückliche unter die Achseln und richteten sie auf. Sie war federleicht.
»Ich stehe! Ich stehe!«, flüsterte Miss Des Essarts triumphierend, doch als wir sie losließen, wäre sie beinahe gestürzt.
»Das ist nicht
Weitere Kostenlose Bücher