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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Mann hatte erfahren, dass seine Flamme von einem Fremden in einer Luxuskutsche hergebracht worden war, und aus Eifersucht suchte er jetzt Streit. Ein Duell mit einem einheimischen Othello hatte Fandorin grade noch gefehlt. So was Dummes. Er musste um der bevorstehenden Arbeit willen dem Konflikt aus dem Wege gehen.
    »Der Revolver gehört mir«, sagte er. »Danke, dass Sie ihn mir gebracht haben, Sie sind ein hilfsbereiter Knabe. Da, für Ihre Mühe.« Er warf eine Zehn-Cent-Münze auf den Tisch.
    Im Saloon lachte niemand, und es wurde sehr still, so wie zuvor beim Hinauswurf des Falschspielers. Streitereien und Schlägereien scheinen das einzige Vergnügen zu sein, für das die Eingeborenen Sinn haben, mutmaßte Fandorin. Er musste irgendwie die Situation retten, ehe es zu spät war.
    Teds Gesicht zeigte ein triumphierendes Lächeln.
    »Jungs, habt ihr alle gehört, wie er mich beleidigt hat? Einen Rotzer hat er mich genannt und einen Dime mir ins Gesicht geworfen, mir, dem Vormann der Ranch ›Zwei Halbmonde‹! Joe, hast du’s gehört? Und du, Sleezy?«
    »Wir haben’s gehört, Rattler«, antworteten mehrere Stimmen. »Wir alle sind Zeugen. Nur ein Waschlappen würde solche Beleidigung verzeihen.«
    Fandorin dachte daran, dass Miss Callaghan erzählt hatte, ihr Bräutigam sei ein höflicher und unwahrscheinlich friedliebender Mensch. So benahm sich Ted Rattler vielleicht in einer fremden Stadt, wo ihn niemand kannte und wo man für treffsicheres Schießen auf eine lebende Zielscheibe an den Galgen kommen konnte. Hier dagegen waren alle Zeugen von Anfang an auf seiner Seite, so dass er keine Umstände zu machen brauchte.
    Der Eifersüchtige verbeugte sich formvollendet vor Fandorin, und das Publikum ließ sich zu begeistertem Gelächter hinreißen. »Und Sie, Sir, sind Sie ein Waschlappen oder nicht?«, fragte er.
    Fandorin, wütend auf sich selbst, sagte nichts.
    »Sie schweigen? Also sind Sie ein Waschlappen?«
    »Und was für einer«, antwortete Fandorin unbekümmert – nun war sowieso nichts mehr zu retten – und stand vom Tisch auf. »Wenn ich irgendwo Dreck sehe, wische ich ihn weg. Damit es sauber wird.«
    Einer brummte laut, es war wohl der hiesige Pinkerton-Mann, der noch immer bei der Tür saß.
    »Oho, noch eine Beleidigung!« Rattler wandte sich dem Pink zuund stellte sich ratlos. »Was sagst du dazu, Mel? Du bist doch in solchen Fällen eine Autorität und fast so was wie ein Gesetzesdiener.«
    »Am besten zwei Hüte. Wenn du willst, nimm meinen«, antwortete Mel Scott nachdenklich. »Du bist der Beleidigte, also musst du die Entfernung bestimmen.«
    Diese rätselhaften Worte stellten Rattler vollständig zufrieden.
    »Also, Mr. Großmaul, nehmen Sie Ihre Kanone und kommen Sie mit an die frische Luft.«
    Der Raufbold ging pfeifend als Erster. Einer der Cowboys warf Fandorin den Herstal zu.
    Alle Patronen waren da. Der Schlagbolzen war unversehrt. Der Lauf in Ordnung. Die Trommel ließ sich drehen.
    Die Sache schien auf ein Duell hinauszulaufen oder wie das hieß bei denen hier, wenn zwei männliche Idioten wegen eines Weibchens einander abzuknallen versuchten.
    Kein Problem, überlegte Fandorin, ich schieß dem Bräutigam ein Loch in die Hand. Bis zur Hochzeit ist das wieder verheilt.
    Alle sahen den Fremden erwartungsvoll an.
    Der Wirt, die gute Seele, trat herzu und raunte: »Hinter der Theke ist eine Tür nach draußen.«
    Die anderen waren weniger zartfühlend.
    »Wir müssen dem Sargtischler Ron Bescheid sagen, dass es heute Arbeit für ihn gibt.«
    »Hey, Fremder, sag wenigstens, wie du heißt.«
    »Erast Fandorin«, sagte er und setzte vor dem durchlöcherten Spiegel den Zylinder auf.
    »
What
? Schreib das lieber auf. Sonst kommen nachher deine Angehörigen, und auf dem Grab steht nicht mal dein Name, das wär doch nicht schön.«
    Es wurde Zeit, das Theater zu beenden.
    Fandorin ging hinaus und sah, dass Ted Rattler, die Klapperschlange, gar nicht dumm war.
    Zwei Hüte, die als Barrieren dienten, waren in mindestens vierzig Schritten Abstand hingelegt worden. Für den Smith & Wesson, den der Herausforderer an der Hüfte hängen hatte, war das eine normale Distanz. Aber für Fandorins kurzläufiges Stadtrevolverchen, das für Schnellfeuer gedacht war, war die Entfernung zu groß, um noch zielsicher schießen zu können. Schon zum dritten Mal in den letzten Tagen erwies sich der Herstal als unzweckmäßig. Er war eine unamerikanische Waffe, und es musste eine stärkere angeschafft werden.

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