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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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einer der Cowboys. »Ich sag euch, lausig ist es dort. Der Kopflose Reiter hat sich wieder gezeigt. Die Bartmänner schlottern vor Angst und trauen sich nachts nicht mehr aus dem Haus.«
    »Quatsch«, erwiderte ein anderer. »Ich glaub nicht an diese Märchen.«
    »Ich ja.« Reid kratzte sich den Hinterkopf, während er in sein Blatt sah. »Ich habe immer gesagt, der kommt wieder. Solange er nicht gefunden hat, was er sucht, gibt er keine Ruhe. Und ich würde nicht darauf wetten, dass er sich auf das Tal beschränkt. Oh, das sieht nicht gut aus. Ich möchte ihm Gott behüte nicht übern Weg laufen. Einmal, das muss acht Jahre her sein, hab ich ihn auf seinem Schecken den Krummen Canyon entlangsprengen sehen. Wenn ich daran denke, läuft’s mir kalt den Rücken runter.«
    Viele lachten laut, und der Wirt des Saloon sagte: »Du flunkerst ganz schön, Wash.«
    Der Neger drohte ihm mit der Faust.
    »Wenn ich an deiner Stelle wäre, Sid Stanley, würde ich mucksmäuschenstill dasitzen und zu Gott beten. Du weißt doch, was der Gespaltene Stein braucht. Und wenn er nun Witterung aufnimmt und aus dem Tal zu dir hereinplatzt?«
    Er zeigte mit dem Finger nach oben, doch wohin genau, konnte Fandorin nicht erkennen, denn in diesem Moment sprang die Saloontür mit lautem Krachen auf, als hätte jemand dagegen getreten.
    So schien es auch zu sein. In der Türöffnung zeigte sich eine hohe, kräftige Gestalt. Die Cowboys lärmten und winkten. »Grüß dich, Ted! Komm zu uns!«
    »Rattler, toll, dass du kommst! Setz dich her!«
    So sah er also aus, der Mann, der das Herz der jungen Miss Callaghan erobert hatte.
    Fandorin musterte neugierig den Ankömmling.

    Klapper-Theo

    Ehrlich gesagt, er war enttäuscht. Der Auserwählte der rothaarigen Ashlean war zwar schön, aber irgendwie im Übermaß – wie übrigens alles hier im Westen. Hellblonde Locken bis auf die Schultern, das Kinn glatt rasiert, der Backenbart so ideal, dass er angeklebt wirkte, dazu pralle Lippen und eine wohlgeformte, ein wenig hoch gebogene Nase. Die Kleidung war effektvoll gewählt, aber auch etwas operettenhaft: schwarzer Sombrero mit Silberverzierungen, perlenbestickte Samtjacke, Gürtel aus Schlangenhaut, Hose mit Fransennähten, gelbe Stiefel mit gewaltigen Sporen. Die klirrten bei jeder Bewegung so hell, dass Fandorin in Gedanken den Mann in Klimper-Theo umbenannte.
    Aber der Schönling hatte Augen, die eine ironische Einstellung zu ihm nicht aufkommen ließen. Sie waren hellblau und eiskalt und schienen die Menschen nicht anzusehen, sondern deren Festigkeit zu testen. Der Blick wanderte ohne Eile durch den Saal und blieb an Fandorin haften, was nicht erstaunlich war, denn in dieser Kaschemme sah man gewiss nicht oft einen Mann, vor dem weiße Handschuhe und ein seideglänzender Zylinder auf dem Tisch lagen. Man kann das Fräulein verstehen, dachte Fandorin, ohne den Blick abzuwenden (mit solchen Leuten muss man nicht taktvoll sein). Verglichen mit den übrigen Cowboys sah Mr. Ted wie ein echter Prinz aus. In wen hätte sich das arme Mädchen mit dem heißen Herzen in diesem Umfeld sonst verlieben sollen?
    Das Spiel »wer guckt als Erster weg« zog sich in die Länge. Zwei hellblaue Augenpaare blickten einander unverwandt an. Endlichhatte Fandorin genug von der Kinderei und betrachtete die Spitze seiner glimmenden Zigarre.
    Doch da ertönte eine schallende Stimme: »Hey, Jungs, ich zeig euch was, ihr lacht euch tot!«
    Das war so gesagt, dass alle es hörten.
    Ted Rattler trat in die Mitte des Raums.
    »Ich hab beim alten Ned O’Pery reingeschaut und gefragt: ›Grüß dich, Marshal, was gibt’s Neues?‹ Da sagt er: ›Du wirst es nicht glauben, Ted. Zum ersten Mal in der Geschichte von Splitstone hat ein Idiot seine Waffe bei mir abgegeben. Ein Stutzer aus dem Osten …‹ Wartet noch mit dem Wiehern.« Rattler hob die Hand und blickte Fandorin an. »Ihr habt noch nicht die Mordwaffe gesehen. Da.«
    Er legte den kleinen Herstal auf einen Tisch, und der nahm sich tatsächlich wie ein Spielzeug aus neben den gewaltigen Colts und Smith & Wessons an den Gürteln der Cowboys.
    Die machten sogleich ihre Witze.
    »Damit kann man sich in den Ohren stochern.«
    »Gut für ein Weib, passt ins Strumpfband.«
    Weitere lustige Vorschläge folgten. Ted trat zu Fandorins Tisch und fragte nun schon offen herausfordernd: »Sie wissen nicht zufällig, Sir, welchem Clown dieser Scherzartikel gehört?«
    Fandorin seufzte betrübt.
    Die Sache war klar. Der klirrende junge

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