Das Halsband des Leoparden
verdoppele.«
Das Spiel ging weiter.
»Das ist Mr. Melvin Scott«, flüsterte Lukow. »Ein ehemaliger
outlaw
, ein großer Räuber. Später hat der Gouverneur ihn begnadigt, und nun arbeitet er für die Pinkerton-
agency
.
Das ist hier ganz normal. Unter den Sheriffs, Marshals und Pinks sind eine Menge Kriminelle. Er ist ein schrecklicher Kerl. Aber man kommt an ihm nicht vorbei. Ihm gehört der einzige Laden in der Stadt.«
Fandorin sah sich daraufhin Melvin Scott genauer an. Der Brief von Robert Pinkerton, den er vielleicht noch benutzen musste, war an diesen Mann adressiert.
Ein Gesicht von der Farbe verbrannter Erde. Die Haare wie vertrocknetes Gras. Der Mund ein Spalt. Die Augen eingekniffen. Wohin sie blickten, war nicht zu erkennen. Er trug keinen Gehrock, nur eine Weste, aus deren Tasche eine massiv goldene Uhrkette hing. Auffallendes Detail: Trotz des warmen Wetters steckten die Hände in schwarzen Handschuhen aus gutem dünnem Leder. Ein ernstzunehmender Herr, das war zu sehen.
»Ich gehe ihn begrüßen«, sagte Lukow, »muss noch ein paar kleine Einkäufe machen. Für die Wirtschaft, den Haushalt. Ich habe hier eine ganze Liste.«
In diesem Moment ertönte von draußen Hufgetrappel und Geschrei.
Der Wirt räumte schleunigst die Gläser von der Theke und ließ nur die Flaschen stehen. Die Spieler und der »Pink« scherten sich nicht um den Lärm, aber Lukow wurde blass.
»Wissen Sie, wenn Sie fertig sind mit essen, kommen Sie lieber weg hier. Das sind die Hirten!«
Er sah so verängstigt aus, dass Fandorin sich nur wunderte. Hirten, Kühe, Schafe – das klang so friedlich, so harmlos, kurzum, so pastoral. Was gab’s da zu fürchten?
»Gestern haben die Hirten – hier heißen sie Cowboys – eine Herde aus Texas hergetrieben. Jetzt werden sie randalieren. Ach, zu spät.«
Ein Dutzend Männer von höchst ungehobeltem Aussehen kammit Geschrei und Gejohle in den Saloon gestürmt. Sie alle trugen Hut, Hosen aus derbem blauem Stoff, spitze Stiefel und Revolver. Der Vorderste führte folgendes Ding vor: Er ließ schon von der Tür her die lange Lederpeitsche knallen, deren Schnurspitze sich um eine Flasche auf der Theke wickelte, und schon hatte er sie in der Hand.
Das Kunststück wurde mit freudigem Gebrüll belohnt.
Die ganze Horde stürmte zum Saufquell, und jeder forderte, aus vollem Halse brüllend, Gin, Whiskey oder Bier.
Melvin Scott stülpte sich gereizt den Hut auf, ergriff die Flasche und setzte sich in eine hintere Ecke. Auf dem Weg dorthin stieß er einen der Schreihälse mit der Schulter an, doch das hatte keine schlimmen Folgen, der Cowboy wich einfach aus. Die Hirten schienen den Agenten zu kennen.
»Ich werde mal draußen auf Mr. Scott warten«, murmelte der Vorsitzende, der es sichtlich eilig hatte zu verschwinden. »Er trinkt jetzt aus und kommt dann. Und Sie finde ich schon.«
Er nahm seinen Panamahut vom Tisch und ging. Fandorin griff nach einer Zigarre, entschlossen, die hiesigen Sitten noch ein wenig zu studieren.
Sehr bald, nach dem zweiten oder dritten Streichholz, wurde sein Bleiben durch eine höchst eindrucksvolle Szene belohnt.
Herein kam nämlich ein dunkelhäutiger Mann in mehr als abgetragenem Zeug: Hut mit hängender Krempe, die Kleidung mit Flick auf Flick und Fleck auf Fleck, an der Hüfte ein speckiges Halfter, aus dem ein mit Heftpflaster zusammengeklebter hölzerner Revolvergriff ragte.
Mit schlurfendem Gang näherte er sich dem Tisch der Spieler und starrte gierig auf den Haufen Silberdollars, die der Mann mit dem Schnurrbärtchen bei seinem Ellbogen liegen hatte.
Die Haare des Negers waren schon leicht ergraut, was sehrschön aussah, wie silbriges Lammfell; sein Bärtchen hatte die gleiche Farbe.
Die Cowboys beachteten ihn nicht.
»Tag, Wash«, grüßten die Einheimischen.
»Wie geht’s, Wash?«
Der schluckte nur. Die rotgeäderten Augen folgten gebannt den über den Tisch flatternden Karten.
Nach einer Weile warf der Falschspieler mit dem Schnurrbärtchen lässig hin: »Hau ab, Onkel Tom.«
Der Neger rührte sich nicht.
Der Falschspieler war schon leicht gereizt.
»Bei uns im Süden haben Schwarze zu anständigen Plätzen keinen Zutritt«, sagte er.
Die Karierten wechselten einen Blick.
»Sir, an Ihrer Stelle würde ich mich nicht mit Washington Reid anlegen«, bemerkte Ruddy halblaut.
Der andere zwinkerte ihm zu und stieß ihn unterm Tisch (Fandorin konnte es von der Seite sehen) mit dem Fuß an.
Ruddy griente und sprach nicht
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