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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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weiter.
    Ein Weilchen klatschten die Karten in völliger Stille auf den Tisch. Dann berührte der Neger mit dem klangvollen Namen plötzlich den Schnurrbärtigen an der Schulter.
    »Hey, weißer Held, was hast du da im Ärmel?«
    Alle am Tisch erstarrten.
    Der Falschspieler drehte sich langsam um.
    »Willst du mir in den Ärmel gucken, Schwarzer? Dann musst du erst mal hierher gucken.«
    Er öffnete den Gehrock und zeigte das Halfter mit dem Revolver.
    »Weißer Held, ich habe dir eine Frage gestellt«, sagte Washington Reid und unterdrückte ein Gähnen. »Du musst sie beantworten.«
    Jetzt wurde es auch an der Theke still. Die Cowboys hattenmitbekommen, dass am Tisch etwas Interessantes vorging, und wandten sich den Spielern zu.
    Der Falschspieler entblößte die gelben Zähne in einem unguten Lächeln und ließ kein Auge von dem Dunkelhäutigen.
    »Was für eine Strafe bekommt man in Wyoming, wenn man einen aufdringlichen Nigger abknallt?«, fragte er.
    Diese Sorte Menschen kannte Fandorin zur Genüge, die waren in allen Ländern gleich. Gleich würde ein Mord geschehen.
    Er stand auf, bereit, sich einzumischen. Niemand sah zu ihm hin, alle Blicke waren auf den Falschspieler und den Neger gerichtet. »Bei uns in Wyoming sind alle gleich, Sir«, sagte Ruddy laut, damit alle es hörten. »Ob ein Schwarzer abgeknallt wird oder ein Weißer – ganz egal. Hier dürfen sogar die Weiber wählen, schon gehört?«
    Die Cowboys wieherten, das Wahlrecht der Frauen schien für sie ein beliebter Witzgegenstand zu sein.
    Ruddy, dem die ihm zugefallene Rolle Spaß machte, verkündete:
    »Ich habe hier einen Dollar.« Er zeigte die Münze herum. »Den werfe ich in die Luft. Wenn er auf den Tisch fällt, darf geschossen werden.«
    Alle verschwanden sofort vom Tisch wie weggeblasen, nur der schnurrbärtige Falschspieler blieb sitzen.
    Erstaunlich: Hinter ihm stand niemand, doch die hinter dem Neger standen, also in der Schusslinie, dachten nicht daran, wegzugehen; mehrere grienten sogar.
    Fandorin setzte sich wieder hin und zündete die Zigarre an. Hier schien niemand seine Hilfe zu benötigen.
    Das Silberscheibchen flog matt blinkend hoch und fiel klingend mit der Kante auf den Münzhaufen.
    Die Hand des zugereisten Glücksritters flog unter den Gehrock und erstarrte wie plötzlich gelähmt. Direkt vor seiner Nase war die Mündung des alten zerkratzten Colt. Fandorin hatte gar nicht gesehen,wie Washington Reid die Waffe zog. Diese Schnelligkeit würde selbst einem gewieften japanischen Fechter beim Entblößen des Katanu Ehre gemacht haben.
    »Was für ein weißer Held. Ganz weiß«, sagte der Neger mit einem Blick in dessen erbleichtes Gesicht.
    Im Saloon war es sehr still.
    Mit zwei Fingern zog Reid aus dem linken Ärmel seines Gegners eine Karte und warf sie auf den Tisch. Es war ein As.
    Ruddy stieß einen Pfiff aus und machte einen Schritt zum Tisch. Aber der Partner des Falschspielers kam ihm zuvor.
    »Meine Herren, das ist ein Betrüger!«, brüllte er. »Der hat mich um vierunddreißig Dollar erleichtert! Verdammter Schurke!«
    Mit einem Satz war er bei dem enttarnten Gauner und schlug ihm die Faust ins Gesicht – der krachte mitsamt dem Stuhl zu Boden. Aber dem wütenden »Opfer« war das noch nicht genug. Er packte seinen Partner am Kragen, schleuderte ihn in die Mitte des Raums und jagte ihn unter allgemeinem Hetzgeschrei mit Fußtritten zur Tür hinaus, dann kehrte er, in gerechtem Zorn glühend, an den Tisch zurück.
    Pfiffig, dachte Fandorin. So hat er den Kumpan vor Prügel, vielleicht gar vor dem Tode bewahrt.
    Auf dem Platz des entlarvten Betrügers saß jetzt Washington Reid. Er scharrte die Münzen zu sich heran, nachdem er gefragt hatte: »Es hat doch keiner was dagegen?«
    Es hatte keiner was dagegen, und das Spiel ging mit einem ausgewechselten Teilnehmer weiter.
    Die übrigen Gäste ließen wieder die Gläser klirren und erörterten den Vorfall. Später kamen sie auf andere Themen zu sprechen, aber Fandorin verstand nur schlecht ihre breiige Redeweise, die zudem mit ihm unbekannten Wörtern gespickt war. Es ging um Rinder, um indianische Squaws, um lahmende Pferde und nicht bezahlten Lohn. Fandorin achtete nicht mehr auf das uninteressanteGeschwätz und wollte eben gehen, da ließ ihn eine Bemerkung aufhorchen.
    »Sagtest du Dream Valley, Romero?«, fragte Washington Reid laut und drehte sich zur Theke um. »Was hast du da gemacht?«
    »Ich hab bei den Mormonen die Jungbullen verschnitten«, antwortete

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