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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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gekommen, das Mädchen wolle geküsst werden. Aber er war sich voll bewusst, dass es ihr um die Mitgift ging. Sie wollte ihren Ted heiraten, die Klapperschlange.
    »Ehrenwort«, sagte Fandorin und erhob sich.

    Ein Lichtstrahl im finsteren Reich

    Sie übernachteten in Splitstone und brachen in aller Frühe auf.
    Ein paar Meilen hinter der Ortschaft stieß die Ebene an Felsen. Anfangs nicht hoch, stiegen sie dann immer höher bis hinauf zum Bergkamm mit seinen spitzen schartigen Gipfeln.
    Die schmale Klamm Bottle Neck, Flaschenhals, erinnerte an einen Riss in einer Felswand. Eine Straße durch die Kluft zu bauen hatten die Pächter nicht für notwendig befunden (vielleicht auch nicht gewollt), darum kam man hier nur zu Fuß oder im Sattel vorwärts. Kusma Lukow hatte alle seine Einkäufe zwei Maultieren aufgebürdet, die er am Zügel führte. Fandorin ritt seine Fuchsstute, die wirklich ein sehr gutes und sanftes Tier war. Masa folgte auf einem dickbäuchigen zottigen Pony; von Zeit zu Zeit berührten seine eindrucksvollen Sporen einen Stein, das gab einen melodischen Klang.
    Auf halber Strecke kam es zu einem kleinen Zwischenfall. Eines der Maultiere rutschte aus und wäre fast gestürzt, und die Last fiel zu Boden: eine neue Pflugschar und ein Stoffbündel. Der Pflugschar machte es nichts aus, aber das Bündel platzte auf, und alles Mögliche purzelte heraus: Zinngeschirr, Bücher, Kleidungsstücke, zwischen denen etwas erlesen Purpurrotes mit goldenem Schimmer aufblitzte.
    »Was ist das?«, fragte Masa interessiert.
    »Ein Buch.« Lukow stopfte alles flink zurück. »Von Tschechow. Ein neues wohl. Jewdokia hat es bestellt, sie hatte im vorigen Quartal die beste Arbeitsleistung, und da steht ihr eine Belohnung von der Leitung zu.«
    »Nein, das da.«
    Der Japaner zog den Gegenstand seiner Neugier wieder heraus. Es waren ein rotes Mieder mit schwarzen Trägern und ein rosa Spitzenhöschen.
    Der Vorsitzende riss Masa die intime Damenwäsche aus der Hand und stopfte sie tiefer in das Bündel.
    »Für die Kinderchen. Die Frauen zerschneiden das und nähen daraus Puppenkleidchen. Die Kinderchen sind unsere Zukunft, für sie ist uns nichts zu schade.«
    »Puppenkleidchen? Aus Pariser W-Wäsche?«
    Kusma Lukow richtete seine hellblauen Augen treuherzig auf Fandorin.
    »Ach, ich verstehe ja nichts von diesen Sachen. Ich habe Mr. Scott gebeten, aus dem Gouvernement etwas Seidenes zu bestellen, unbedingt mit Bändern und schön bunt. Vielleicht hatten sie dort nichts anderes. Oder er will sich über uns lustig machen. Sie haben ja gesehen, er ist ein giftiger, taktloser Mensch.«
    Darauf sagte Fandorin nichts. Schließlich ging ihn das nichts an.
    Sie ritten weiter.

    Das Dream Valley öffnete sich ohne Vorwarnung. Sie ritten um einen Felsblock von langweiligem Grau herum, da verbreiterte sich plötzlich der Raum wie ein gigantischer grüner Fächer. Die ovale Senke war auf allen Seiten von nicht hohen, aber steilen Bergen umgeben, deren Hänge dicht mit Kiefern bestanden waren. In die Hänge schnitten sich an mehreren Stellen schmale Canyons ein, geschmückt mit silbrigen Wasserfällen, am Grunde lagen gelbe und orangene Felder, hellgrüne Wiesen und dunkelgrüne Haine. Von Rand zu Rand war es wohl fünf Werst lang.
    »Da ist es, unser Mütterchen«, rief Lukow gefühlvoll. »Wo die Roggenfelder und Wiesen sind, ist unsere Hälfte. Urbar gemacht, mit Schweiß und Tränen gegossen. Ein Paradies auf Erden. Ein Lichtstrahl im finsteren Reich! Da rechts, wo Mais und Weizen wachsen, sind die Celestianer. Sehen Sie den Streifen in der Mitte? Das ist die Grenze, der Zaun.«
    »Ssön«, lobte Masa das Tal. »Mit Leis wär’s noch ssöner. Wie ein Spiegel unter der Sonne.«
    Am Ende der Klamm begannen zwei Straßen: Die nach rechts war mit Ziegeln gepflastert, die nach links ungepflastert, dafür liebevoll mit Birken umpflanzt. Nachdem sie hier eine Viertelstunde geritten waren, sahen sie einen hölzernen Bogen mit aus Sperrholz gesägten Buchstaben:

    Collective Farm »Luch Sveta« 7
    »Warum denn das?« fragte Fandorin argwöhnisch und zeigte auf die Blumengirlanden und russischen Fahnen, die dieses Architekturwerk schmückten.
    Er fürchtete schon, die Siedler hätten zu Ehren ihres mutmaßlichen Befreiers einen feierlichen Empfang vorbereitet.
    Das war gottlob nicht der Fall.
    »Wir haben doch heute einen Feiertag.« Kusma Lukow machte eine einladende Geste. »Sie besuchen uns an einem bedeutsamen Tag. Nach unserm russischen

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