Das Halsband des Leoparden
noch ganz jung.«
Auf der Palisade wurde beraten. Dann rief der Bass: »Erast – das ist ein guter Name. Bist du einer von uns, ein Mormone?«
»Nein, ich bin Russe, zu Besuch bei meinen Landsleuten. Was mach ich nun mit den beiden Räubern? Wenn sie nicht von euch sind, bring ich sie nach Splitstone.«
Wieder Getuschel, das länger dauerte. Dann knarrte das Tor.
»Es macht nichts, dass du Russe bist. Alle Menschen sind Brüder. Komme herein, guter Mann. Du hast barmherzig gehandelt.«
Auf dem dreieckigen Platz zwischen der Palisade und der Felswand standen sieben feste Häuser mit Obergeschoss, jeweils mit Wirtschaftsgebäuden. Etwas abseits lagen Speicher, ein großer Kuh- und ein Schweinestall, eine Schmiede und ein Korral. Überall brannten Öllampen, und es war zu sehen, wie liebevoll und sorgfältig hier mit jedem Stückchen Land umgegangen wurde. In derMitte blinkte das dunkle Wasser eines idyllischen kleinen Teichs. Blumenbeete dufteten. Über ein mit Steinen eingefasstes Bächlein führte eine winzige Brücke.
Schon wieder eine Abart des irdischen Paradieses für die eigenen Leute, dachte Fandorin angesichts der Himmelsbrüder, die aus ihren Häusern strömten.
Allerdings waren es hauptsächlich Schwestern. Sie alle trugen weiße Schürzen, und ihre Gesichter waren unter den riesigen Spitzenhauben kaum zu sehen. Die Frauen standen in Grüppchen bei der Vortreppe ihres Hauses, sahen zu und überließen das Handeln den Männern.
Es waren höchstens zwanzig Männer unterschiedlichen Alters, doch einheitlich gekleidet: spitz zulaufende Hüte, dunkle Anzüge, weiße Hemden ohne Krawatte. Alle trugen Vollbart, der bei einigen bis unter den Gürtel reichte.
Die Anordnungen traf ein niedrig gewachsenes Männlein mit dichten Augenbrauen um die fünfzig, bekleidet mit einem braunen Gehrock und mit einem Hut, den eine Silberschnalle zierte; er war es wohl, der vom Wachturm herab mit Fandorin geredet hatte. Fandorin dachte, dies müsse der Apostel sein, doch er erkannte bald, dass er sich irrte.
Während die Celestianer die Jünglinge mit den biblischen Namen losbanden und ausfragten, verschwand das Männlein, kam dann zurück und führte Fandorin beiseite.
»Im Namen des Apostels Moroni und unserer ganzen Gemeinschaft spreche ich dir unsere aufrichtige Entschuldigung aus, guter Wanderer. Vergib unseren unvernünftigen Brüdern. Sie haben das aus eigenem Antrieb getan und werden streng bestraft werden. Ich bin der Älteste Rasis. Die übrigen Ältesten und der Apostel persönlich bitten dich zu einem Gespräch.«
Er zeigte mit einer Verbeugung auf das größte Haus, auf dem ein geschmiedetes schwarzes Kreuz aufragte.
»Ich d-danke.«
Bevor er dem Ältesten folgte, drehte er sich um und ließ den Blick rasch über die Palisadenspitzen gleiten.
Und richtig, ganz in der Ecke, an der Felswand, war zwischen den Zacken ein rundes Fleckchen zu erkennen – Masa auf Beobachtungsposten.
In dem geräumigen Zimmer mit den geweißten Wänden war kein Mensch. Fandorin wandte sich um, aber Rasis, der ihm den Vortritt gelassen hatte, war verschwunden. Achselzuckend trat Fandorin über die Schwelle und hielt Umschau.
Die Einrichtung war bescheiden, doch auch feierlich – das eine schloss das andere seltsamerweise nicht aus. Ein langer Tisch mit sieben hohen Holzsesseln, deren einer, der mittelste, mit seiner reichgeschnitzten Lehne an einen Thron erinnerte. Ihm gegenüber stand ein einzelner Stuhl, offenbar für den Gast bestimmt. Oder für den Angeklagten?
An Raumschmuck gab es nur die große Gravüre einer gotischen Kathedrale, in der Fandorin den berühmten Tempel der Mormonen in Salt Lake City erkannte.
Mehr war in dem Zimmer nicht zu sehen. Fandorin, gelangweilt, setzte sich auf den Stuhl, und sogleich, als hätte man diesen Moment abgewartet worden, ging die weiße Doppeltür ihm gegenüber auf.
Herein kamen sieben Männer, alle im braunen Gehrock wie Rasis, mit überlangen Bärten, und nahmen feierlich Platz. Sie waren durchweg klein und kräftig und hatten zottige Augenbrauen, und man sah sofort, dass sie leibliche Brüder waren.
Auf den mittelsten Sessel setzte sich ein robuster Grauhaariger mit rosigen Wangen und sehr breitem, finster eingekniffenem Mund. Er trug wie die anderen einen Hut mit Schnalle, doch die war bei ihm nicht aus Silber, sondern aus Gold. Das war nun gewiss der Apostel Moroni, wer sonst.
Eine Begrüßung erfolgte nicht. Die sieben Brüder starrten den Mann im weißgrauen Anzug
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