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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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jemand hier leben wollen. Auch Sie und ich sollten uns davonmachen, solange wir noch heil und gesund sind. Wissen Sie was, Sir, behalten Sie Ihre fünfzehn Dollar. Ich hab’s mir anders überlegt. Einen Hunderter hab ich, der reicht für ein paar Spielpartien. Ich setze keinen Fuß mehr in dieses Dream Valley.«
    Fandorin durfte ihn auf keinen Fall gehen lassen. Jetzt, nachdem die Celestianer so plötzlich desertiert waren, war jeder Helfer Gold wert. Besonders wenn er mit der Waffe umgehen konnte.
    »Hundert Dollar haben Sie also?«
    Fandorin holte den Becher nebst Würfeln aus der Tasche.

    Die Possies

    Von weitem sah Fandorins Possietruppe aus wie eine ganze Streitmacht.
    Vornweg ritten die beiden offiziell bevollmächtigten
Deputy Marshals
: Fandorin und Masa. Ihnen folgten zwei weitere Berittene, Melvin Scott und Washington Reid. An der Haltung imSattel, an den lässig schräg aufgesetzten Hüten war zu sehen – ernstzunehmende Leute, richtige
gunfighter.
In gehörigem Abstand hinter der berittenen Avantgarde gingen in Kolonne die Hauptkräfte. Das war die gesamte erwachsene Bevölkerung der Kommune »Lichtstrahl«, siebenundvierzig Gewehre, genauer gesagt, Holzknüppel, denn eine Waffe in die Hand zu nehmen, lehnten die Siedler entschieden ab, sodass die Armee dem Gegner nur aus der Entfernung imponieren konnte. Die Frauen hatten Hosen angezogen und gingen als Letzte, und sie alle trugen spitz zulaufende Hüte, von denen in dem Celestianerdorf genügend zurückgeblieben waren.
    Nach der Berechnung des Generalstabs, der aus Fandorin und Scott bestand, konnte die List funktionieren, wenn die »Infanteristen« einen äußeren Blockadering bildeten und sich nicht zeigten. Hauptsache, es kam gar nicht erst zum Kampf.
    Fandorin war finster und in sich gekehrt, er spürte die Bürde der Verantwortung für die Pazifisten, die er in eine verdammt gefährliche Sache hineingezogen hatte. Dafür strahlte Masa auf seinem Pony wie der Vollmond. Ihm gefiel das alles: die Cowboytracht, die wunderschöne Landschaft, der Spazierritt an der frischen Luft und am meisten der Marshalstern. Eine geschlagene Stunde lang hatte er sich mit den beiden Blechdingern abgemüht, und jetzt funkelten sie so, dass es den Augen weh tat.
    Das Paar, das dem Ritter von der Traurigen Gestalt und seinem lebensfrohen Waffenträger folgte, sah ähnlich aus: der Pink blass und finster (nicht wegen moralischer Leiden, sondern weil er verkatert war), der Neger fröhlich und lächelnd – am Tag schlafen die Gespenster, und Banditen fürchtete er nicht. Reids Teilnahme an der Expedition hatte Fandorin mit zweimal Würfeln erreicht: Nach dem ersten Mal war der Schwarze seine hundert Dollar los gewesen, und nach dem zweiten hatte er zu den Freiwilligen gehört. Den Hunderter hatte er zurückbekommen – als Trost.
    Doch schon auf halbem Wege geriet der Feldzugsplan ins Wanken.
    Washington Reid, der eben einen Gassenhauer trällerte, verstummte plötzlich und sprang aus dem Sattel.
    Er bückte sich und zeigte mit zitterndem Finger auf einen Hufabdruck.
    »Da, viereckige Nägel! Der Kopflose ist hier geritten! Vor kurzem!«
    Scott hockte sich hin, betastete die Spur.
    »Ein großes Pferd. Aber woher weißt du, dass es der Kopflose war?«
    »Ich weiß es …«
    Er flog am ganzen Leibe. Sein Gesicht sah grau aus.
    »Er ist mit den Schwarzen Tüchern im Bunde!«
    Das geht schief, begriff Fandorin.
    »Na großartig!«, rief er gespielt munter. »Da treffen wir zwei Vögel mit einem Stein.«
    Reid wich rückwärts.
    »Aber ohne mich. Mit dem Kopflosen zu kämpfen, habe ich mich nicht verpflichtet. Peggy, Alte, wir hauen ab!«
    Ohne auf Zureden zu hören, rannte er den Pfad hinunter. Das graue Pferd trabte hinterher.
    »Hey!« schrie Fandorin. »Vielleicht würfeln wir? Ich setze, was Sie wollen!«
    »Weiche, Satanas!«, schallte es hinter der Biegung hervor.
    Somit hatte sich Fandorins Kavallerie um ein Viertel vermindert.
    Dem Kampfgeist der Abteilung war der Vorfall nicht förderlich. Gleichwohl ging es weiter.
    Auf dem schmalen Bergsteig bewegten sich die
Possies
im Gänsemarsch. Aber vor dem Plateau sammelte Fandorin alle um sich und erklärte nochmals die Aufgabe.
    »Damen und H-Herren! Jeder von Ihnen hat eine Nummer.Die geraden gehen nach rechts, die ungeraden nach links. Am Rande des Plateaus liegen große Steinblöcke. Sie nehmen dahinter Deckung, zu zweien oder dreien, halten die Knüppel hoch und zeigen sich auf keinen Fall, was auch geschieht.

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