Das Halsband des Leoparden
herausschauenden Stäbchen.
Sie stiegen hinauf.
»Keine Tricks! Ich will immer die Hände sehen! Ich hab euch im Visier!«, schrie von oben dieselbe Stimme.
Die Einbuchtung im Felsen zwanzig Meter über der Erde, wieein Loch in einem faulen Zahn, war eine vorzügliche natürliche Deckung. Sie war erweitert und ausgebaut worden, sodass sie dem Wachposten idealen Schutz und beste Aussicht bot. Da standen ein Holzstuhl und eine Feldflasche mit Wasser; Zigarettenstummel lagen herum. An der Wand lehnte ein Gewehr.
Der Mann mit dem tief herabgezogenen Hut hielt in jeder Hand einen Revolver, und beide waren auf die Unterhändler gerichtet. Die braunen Augen oberhalb des schwarzen Tuchs blickten wachsam.
»Dorthin, hintereinander, und sachte, sachte.«
Er zeigte mit dem Kinn zur Seite. Unten waren Stufen zu sehen.
Fandorin betrat sie als Erster.
Der Ausguck des Wachpostens befand sich auf halber Höhe des Anstiegs. Die auf der Rückseite in den Felsen gehauenen Treppenstufen waren von der Ebene her nicht zu sehen, sie führten ganz nach oben.
Von dort war, von den Zwei Fingern bewacht, der Eingang zu einem schmalen Durchbruch, der sich wie eine Zunge in den Berg schnitt. Am hinteren Ende waren eine Bretterbaracke, ein Korral mit Pferden und ein in den Berghang geschlagenes schwarzes Loch zu sehen, wohl der Eingang in den verlassenen Stollen.
Die Treppe führte hinauf zu einer kleinen Fläche von einem Dutzend Schritte Durchmesser, umgeben von einer Art Geländer. Dort warteten zwei Männer, ebenfalls mit schwarzem Tuch vorm Gesicht: der eine blauäugig, mit reiner Jünglingsstirn, der andere mit nur einem Auge, das schwarz und bösartig war. Statt des anderen gähnte eine leere Augenhöhle.
»Schlecht hast du sie durchsucht, Dick«, sagte der Einäugige. »Der Hübsche hat unter der Jacke eine Derringer-Pistole. Und der Chinese hat im Stiefel ein Messer und im rechten Halfter irgendwelches Zeug.«
»Ich bin kein Kinese.« Masa zog das Stilett aus dem Schaft, denNunchaku aber versuchte er wieder als Essstäbchen auszugeben, was bei dem Einäugigen jedoch nicht zog.
»Reis kannst du später fressen«, sagte er unter dem Gelächter des Jüngeren. »Wenn du dann noch lebst. Mach den Gürtel ab. Wirf ihn runter. So.«
Den Herstal musste Fandorin aus dem hinteren Halfter nehmen und zur Seite werfen. Die drei Banditen hielten die Parlamentäre in Schach, da war nichts zu machen.
Schlimmer war etwas anderes.
Von hier, vom Felsengipfel, war das ganze Plateau bestens zu übersehen: der hinter dem Stein sitzende Melvin Scott ebenso wie die im Halbkreis gelagerten russischen Siedler. Ein guter Schütze hätte von hier aus jeden von ihnen treffen können.
Außerdem: Hier waren drei der Räuber, und im Korral standen mindestens anderthalb Dutzend Pferde. Wo steckten die übrigen Banditen?
Aber Fandorin stellte eine andere Frage.
»Was ist mit dem Mädchen? Lebt sie noch?«
»Und ob sie lebt«, antwortete der Einäugige. Die beiden anderen Räuber wieherten freudig, ganz besonders der jüngere mit den hellblauen Augen.
»Ich habe noch nie einen Chinesen mit Sheriffstern gesehen!«, rief er mit klangvoller, noch halb kindlicher Stimme und lachte wieder schallend. »Jorge, schau doch nur!«
»Japaner ist er. Und das ist kein Sheriff-, sondern ein Marshalstern. Wir sind Gehilfen des Marshals und haben umfangreiche Vollmachten.« Fandorin sprach möglichst offiziell. Die übertriebene Heiterkeit gefiel ihm nicht. »Sie sehen selber, wie viele wir sind. Geben Sie das Mädchen heraus, dann kann ich vielleicht erreichen, dass Ihnen der Abzug aus dem Tal gestattet wird. Die Celestianer sind sehr böse wegen Ihres Scherzes mit dem Kopflosen Reiter, aber ich will’s v-versuchen.«
Er schwieg, um die Reaktion auf seine Worte abzuwarten.
Die Reaktion: Der Blauäugige bog sich vor Lachen, der Braunäugige prustete, und der schwarzäugige Jorge kniff sein einziges Auge schmaler.
»Wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihre Großmut, Señor«, sagte er mit komischem Ernst. »Sie haben viele Leute, das stimmt. Aber was nützt es? Wir sind hier nicht zu besiegen, das sehen Sie ja. Wasser haben wir im Lager, Nahrungsmittel auch. Schlimmstenfalls essen wir Pferdefleisch, das reicht für ein Jahr.«
»Was du redest, Jorge! Pferdefleisch!«, wieherte der Jüngere. »Ich lach mich schief!«
Fandorin sagte rasch auf japanisch: »Das ist eine Falle. Sie schinden Zeit.«
Masa lächelte.
»Sie werden uns wohl gleich angreifen. Ich nehm den
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