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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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und steckte das Bündel Scheine in die Hosentasche. Neben ihm auf dem Boden, gleich neben der Kamera, lag eine Pistole mit langem, rostfleckigem Lauf. »Wie meine alte Mutter immer sagte«, fuhr er fort, »denen kann man nicht trauen.«
    »Wem?« fragte Sandy.
    »Den verdammten Rothaarigen«, antwortete er. »Die lügen einen sogar dann an, wenn die Wahrheit besser wäre. Die können gar nicht anders. Da ist bei denen in der Evolution was schief-gelaufen.«
    Oben an der Hauptstraße fuhr langsam ein Auto mit durchgerostetem Auspuff vorbei; Carl legte den Kopf schräg und lauschte dem
popp-popp
, bis es verklungen war. Dann sah er Sandy an, die neben ihm kniete, und betrachtete eine Weile ihr Gesicht in der grauen Dämmerung. »Hier, mach dich sauber«, sagte er und reichte ihr das T-Shirt des Burschen, das noch immer feucht von seinem Schweiß war. Er zeigte auf ihr Kinn. »Du hast da einen Spritzer. Der dürre Kerl war voll wie eine Zecke.«
    Nachdem Sandy sich mit dem T-Shirt über das Gesicht gewischt hatte, warf sie es auf den grünen Seesack und stand auf. Mit zittrigen Händen knöpfte sie sich die Bluse zu und wischte sich Staub und tote Blattreste von den Beinen. Sie ging zum Wagen, beugte sich vor und begutachtete sich im Außenspiegel, dann griff sie durchs Fenster und schnappte sich ihre Zigaretten vom Armaturenbrett. Sie lehnte sich an die vordere Stoßstange, zündete sich eine Zigarette an und pulte sich mit einem pinkfarbenen Fingernagel ein winziges Stückchen Schotter aus dem aufgescheuerten Knie. »Himmel, ich hasse es, wenn die so flennen«, sagte sie. »Das ist das Schlimmste.«
    Carl schüttelte den Kopf und ging noch einmal die Brieftasche des Burschen durch. »Darüber musst du hinwegkommen«, sagte er. »Die Tränen sind genau das, was ein gutes Bild ausmacht. Diese letzten Minuten waren die einzigen in seinem ganzen jämmerlichen Leben, in denen er nichts vorgespielt hat.«
    Sandy sah zu, wie er alles, was dem Soldaten gehört hatte, wieder in den Seesack stopfte, und wollte ihn schon beinahe fragen, ob sie den Ring des Mädchens behalten könne, doch dann entschied sie, dass es der Mühe nicht wert war. Carl hatte sich alles genau zurechtgelegt, und er konnte wie ein Berserker toben, wenn sie versuchte, auch nur die kleinste Regel zu ändern. Persönliche Gegenstände mussten ordentlich entsorgt werden. Das war Regel Nr. 4. Oder vielleicht Nr. 5. Sandy konnte sich die Reihenfolge der Regeln nie genau merken, ganz gleich wie oft er auch versuchte, sie ihr einzubläuen. Aber ab jetzt würde sie immer daran denken müssen, dass Gary Matthew Bryson Hank Williams gemocht und das Eipulver in der Armee gehasst hatte. Ihr knurrte der Magen und sie fragte sich für eine kurze Sekunde, ob die Beeren, die da im Wald über seinem Kopf hingen, essbar waren oder nicht.
    Eine Stunde später fuhren sie in die aufgelassene Kiesgrube, an der sie vor einer Weile vorbeigekommen waren, als Sandy und Gefreiter Bryson noch Witze gerissen und sich gegenseitig mit Blicken ausgezogen hatten. Sandy hielt hinter einem kleinen Schuppen aus Bauholz und rostigen Blechen und stellte den Motor ab. Carl stieg mit dem Seesack und einem Kanister Benzin aus, den sie stets bei sich hatten. Ein paar Meter hinter dem Schuppen legte er den Seesack hin und schüttete etwas Benzin darüber. Als der Seesack gut brannte, kehrte er zum Wagen zurück, suchte den Rücksitz mit der Taschenlampe ab und fand einen Batzen Kaugummi unter einer der Armlehnen. »Schlimmer als ein Kind«, sagte er. »Man sollte meinen, das Militär würde ihnen Manieren beibringen. Mit solchen Soldaten sind wir am Arsch, wenn die Russen jemals einmarschieren sollten.« Er kratzte den Kaugummi vorsichtig mit dem Fingernagel ab und kehrte zum Feuer zurück.
    Sandy saß im Auto und schaute zu, wie Carl mit einem Stock in den Flammen stocherte. Orangene und blaue Funken sprangen auf, flatterten davon und verschwanden in der Dunkelheit. Sie kratzte an ein paar Insektenstichen an den Knöcheln und machte sich Sorgen um das Brennen zwischen ihren Beinen. Sie hatte Carl zwar noch nichts davon gesagt, aber sie war ziemlich sicher, dass ein anderer Typ, den sie vor ein paar Tagen in Iowa aufs Kreuz gelegt hatten, sie mit irgendetwas angesteckt hatte. Der Arzt hatte sie bereits gewarnt, dass eine weitere Behandlung ihre Chancen ruinieren würde, jemals ein Kind zu bekommen, aber Carl wollte keine Kondome auf seinen Bildern.
    Als das Feuer erstarb, trat Carl die Asche im

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