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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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gefahren. Plötzlich hatte er das Gefühl, er würde noch viel mehr verlieren, bis das alles vorbei war. Er griff unter das Armaturenbrett nach der Luger und steckte sie sich hinter den Hosenbund. Dann nahm er die Papiere und eine Schachtel Munition aus dem Handschuhfach. Er ging hinein, der Mann legte die dreißig Dollar auf den Tresen. Arvin signierte den Verkauf auf den Wagenpapieren und setzte das Datum daneben. Er kaufte sich einen Schokoriegel und eine Flasche Cola. Seit dem Kaffee am Morgen in der Küche seiner Grandma hatte er nichts mehr gegessen oder getrunken. Er sah durch die Scheibe hinaus auf den endlosen Strom von Autos, der auf dem Highway vorbeifloss, und biss in den Schokoriegel. »Waren Sie schon mal als Anhalter unterwegs?« fragte er den Mann.

39.
    An jenem Tag hörte Roy gegen fünf Uhr nachmittags auf, Orangen zu pflücken, und kassierte seinen Lohn, dreizehn Dollar. Er ging in den Laden an der Kreuzung, kaufte ein halbes Pfund Fleisch, ein halbes Pfund Käse, einen Laib Roggenbrot, dazu zwei Schachteln Chesterfields und drei Flaschen Portwein. Es war gut, jeden Tag seinen Lohn zu bekommen. Roy kam sich wie ein reicher Mann vor, während er zu der Stelle zurückging, wo Theodore und er campierten. Der Boss war der beste, den er je gehabt hatte; Roy pflückte schon seit drei Wochen für ihn. Heute hatte ihm der Mann mitgeteilt, dass es nur noch Arbeit für vier oder fünf Tage gab. Theodore würde sich darüber freuen. Er wollte unbedingt wieder ans Meer zurück. Im letzten Monat hatten sie fast hundert Dollar beiseitegelegt, mehr Geld, als sie seit langer, langer Zeit gehabt hatten. Ihr Plan war, sich ein paar anständige Sachen zu kaufen und wieder zu predigen. Roy nahm an, dass sie bei Goodwill ein paar Anzüge für zehn, zwölf Dollar finden würden. Theodore konnte zwar nicht mehr so gut Gitarre spielen wie früher, aber sie würden es schon schaffen.
    Roy überquerte einen Entwässerungsgraben und ging auf ihren Lagerplatz unter einer kleinen Gruppe von Magnolienbäumen zu. Er fand Theodore schlafend auf dem Boden neben dem Rollstuhl liegen, die Gitarre neben sich. Roy schüttelte den Kopf und zog eine der Weinflaschen und eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Er setzte sich auf einen Baumstumpf und nahm einen Schluck, bevor er sich eine Zigarette anzündete. Er hatte die halbe Flasche geleert, als er bemerkte, dass dem Krüppel Ameisen über das Gesicht liefen. Roy eilte zu ihm hin und rollte ihn auf den Rücken. »Theodore? He, komm schon, Kumpel, wach auf«, flehte Roy ihn an, schüttelte ihn und verscheuchte die Insekten. »Theodore?«
    Roy versuchte, ihn hochzuheben; er wusste sofort, dass Theodore tot war, dennoch mühte er sich eine Viertelstunde lang, ihn in den Rollstuhl zu setzen. Dann schob er ihn durch den sandigen Boden in Richtung Highway, doch nach ein paar Metern blieb er wieder stehen. Die Behörden würden eine Menge Fragen stellen, dachte er und sah in der Entfernung einen schmucken Wagen vorbeirollen. Er sah sich im Lager um. Vielleicht war es besser, einfach hierzubleiben. Theodore liebte das Meer, aber er mochte auch den Schatten. Und diese Bäume waren mehr Zuhause als sonst irgendein Fleck seit ihren Tagen bei
Bradford Amusements
.
    Roy setzte sich neben den Rollstuhl auf den Boden. Im Laufe der Jahre hatten sie ziemlich üble Dinge getan, und er verbrachte die folgenden Stunden damit, für die Seele des Krüppels zu beten. Roy hoffte, dass jemand dasselbe für ihn tun würde, wenn seine Zeit gekommen war. Bei Sonnenuntergang stand er schließlich auf und machte sich ein Sandwich. Er aß es halb auf und warf den Rest ins Gestrüpp. Nach einer weiteren halben Zigarette wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr wegzulaufen brauchte. Er konnte jetzt nach Hause gehen und sich den Behörden stellen. Mochten sie mit ihm anstellen, was sie wollten, Hauptsache, er sah Lenora noch ein einziges Mal. Theodore hatte nie verstanden, wie Roy jemanden vermissen konnte, den er überhaupt nicht kannte. Stimmte schon, er konnte sich kaum noch daran erinnern, wie das Gesicht des kleinen Mädchens ausgesehen hatte, dennoch hatte er sich tausend Mal gefragt, was aus ihm geworden war. Als er zu Ende geraucht hatte, probte er bereits im Geiste, was er zu seiner Tochter sagen würde.
    In der Nacht betrank Roy sich ein letztes Mal mit seinem alten Freund. Er machte Feuer und sprach mit Theodore, als sei er noch am Leben, erzählte noch einmal dieselben Geschichten über Flapjack und die

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