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Das Handwerk des Toetens

Das Handwerk des Toetens

Titel: Das Handwerk des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Gstrein
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sie wie in alten Zeiten, ohne richtig daran zu ziehen, sofort wieder weglegte, zögerte sie nicht, sie in die Hand zu nehmen und selbst fertigzurauchen, während ich mich, nur um das Schweigen zu brechen, an ihn wandte.
    »Damit hast du doch endgültig deinen Plot.«
    Es hatte etwas Kindisches, daß ich mich dazu hinreißen ließ, aber dieses Mal war ich es, der von seinem Roman sprach. Das gehörte eigentlich zu seiner Rolle, und vielleicht tat er deshalb so, als würde er mich nicht verstehen. Für einen Rückzieher war es zu spät, und ich fing noch einmal an, ohne weiter darüber nachzudenken, wie er es aufnahm.
    »Danach hast du doch die ganze Zeit gesucht«, sagte ich. »Wenn du willst, brauchst du dir nichts weiter zu überlegen und kannst alles daran aufhängen.«
    Er schwieg immer noch und sah aus dem Fenster in die fast vollständig hereingebrochene Dunkelheit, während ich plötzlich wieder auf die Schreie aufmerksam wurde, die in scheinbar regelmäßigen Abständen von draußen hereindrangen. Ich folgte seinem Blick und schaute selbst auf die gerade noch sichtbaren Häuser gegenüber, deren Mauern die letzte Helligkeit gespeichert hatten und mit schon undeutlichen Rändern bläulich weiß aus dem Grau in Grau hervortraten. Er schien zu warten, bis sich alle Konturen auflösten, bevor er etwas von sich gab, die Umrisse zu beiden Seiten des Fernsehturms endlich ganz verschwammen, der mit Ringen von roten Lichtern in seiner Nachtbeleuchtung dastand, aber als er erst einmal loslegte, war es nicht weiter aufregend, ein müßig sentimentales Lamentieren, wie wenig er genaugenommen von Allmayer gewußt hatte.
    »Wenn er mit all dem selbst herausgerückt wäre, hätte ich ihm nicht geglaubt«, sagte er. »Ich hätte ihn für einen Aufschneider gehalten, der mir mit irgendwelchen Greuelmärchen imponieren will.«
    Ich weiß nicht, ob er sich in seinem Urteil so sicher war, wie er danach tat, ob für ihn tatsächlich feststand, daß Allmayer unmöglich den Schuß abgegeben haben konnte, oder ob er nur den Gedanken nicht an sich heranließ und ihm allein schon die Möglichkeit reichte, auch wenn sie noch so gering war. Er hatte recht, nach allem, was aus dem Band hervorging, deutete wenig auf sein Verschulden hin, aber ganz und gar ausschließen ließ es sich nicht. Denn so sehr er ihn in Schutz zu nehmen versuchte, er vermochte nicht zu erklären, warum in der Druckfassung seines Interviews mit Slavko, die wenige Tage nach dem mysteriösen Treffen erschienen war, nichts von der Situation auftauchte, wie sie dokumentiert vorlag, von der ständig anwesenden Bedrohung, der Behandlung des Gefangenen und der Tatsache, daß er selbst ein Gewehr in der Hand gehabt hatte, und das blieb ein Schwachpunkt, machte ihn nicht unbedingt noch mehr verdächtig, gab aber ein Rätsel auf, dessen Auflösung erst Monate später erfolgte.
    Es war unmittelbar, nachdem Paul sich für ein paar Wochen zum Schreiben nach Zagreb zurückgezogen hatte, und das paßte zu der Geschichte, diese Überspanntheit, kein Wort kroatisch zu sprechen und zu glauben, es würde seinem Roman nützen, wenn er eine Weile im Land lebte, wie er sagte. Er hatte sich im Hotel Palace am Strossmayer-Platz ein Zimmer genommen und wollte dort bleiben, bis die Sommerhitze einsetzte und ihn wahrscheinlich früher, als ihm lieb sein mochte, wieder aus der Stadt vertrieb. Damit war er einmal mehr in der Situation, ohne die er glaubte, nichts zustande zu bringen, und wenn er mit Helena die Vereinbarung hatte, ihn in der ersten Zeit nicht besuchen zu kommen, auf daß er sich allein zurechtfinden mußte, möglichst wenig anzurufen und, falls sie ihm schrieb, sich nur nicht zu wundern, wenn seine Antwort ausblieb, steckte dahinter nichts als eine Verrücktheit, eine versponnene Idee, die ihn zwingen sollte, in der fremden Umgebung auf eigenen Beinen zu stehen und vielleicht sogar neue Leute kennenzulernen.
    Zumindest hörte sich das in ihrer Darstellung so an, und ich erinnere mich noch, wie sie kopfschüttelnd über ihn sprach, als ich sie knapp zwei Wochen nach seiner Abreise zum ersten Mal sah. Sie schlug einen Ton an, als ginge es um einen entfernten Verwandten, der liebenswert war und sich trotzdem diesen milden Hohn zugezogen hatte, eine Form von Geringschätzung, die mir ohne Zweifel zeigen sollte, daß sie sich nicht von ihm herumkommandieren ließ. Es wollte ihr nicht in den Kopf, daß er so ein Tamtam um sein Schreiben machte, und allein wie sie das sagte, die

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