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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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jeweiligen Fall.
    Faire Kriterien
    Üblicherweise werden Sie mehr als ein objektives Kriterium finden, das sich als Basis für eine Übereinkunft eignet. Nehmen Sie beispielsweise an, dass Ihr Auto beschädigt wurde, und Sie reichen den Fall bei der Versicherung ein. In der Auseinandersetzung mit dem Sachbearbeiter führen Sie etwa folgende Maßstäbe für den Wert Ihres Autos an: 1. den Neuwert minus Abnutzung; 2. den Verkaufswert des Wagens; 3. den Listenpreis für Autos dieses Modells und Alters; 4. den Beschaffungspreis für ein vergleichbares Auto; und 5. was das Gericht als Wert für das Auto wohl festsetzen würde.
    In anderen Fällen könnten Sie die Übereinkunft zum Beispiel auf folgenden Kriterien aufbauen:
Marktwert
frühere Vergleichsfälle
wissenschaftliches Gutachten
Kriterien von Sachverständigen
Auswirkungen
Kosten
mögliche Gerichtsurteile
moralische Kriterien
|126| Gleichbehandlung
Tradition
Gegenseitigkeit usw.
    Auf alle Fälle müssen objektive Kriterien unabhängig vom beiderseitigen Willen sein. Im Idealfall – was einem vernünftigen Übereinkommen besondere Sicherheit verleiht – sollten objektive Kriterien nicht nur willensunabhängig sein, sondern auch gesetzlich legitimiert und praktisch durchführbar. Bei einer Grenzauseinandersetzung beipielsweise kann man sich leichter auf irgendwelche Geländemerkmale wie einen Flusslauf einigen als auf einen Meter östlich des Flussufers.
    Objektive Kriterien sollten, zumindest theoretisch, beiden Seiten passen. Sie können das testen, indem Sie es von beiden Seiten her anwenden: dann sehen Sie, ob es fair und unabhängig vom Willen beider Parteien ist. Wenn Ihnen zum Beispiel ein Immobilienmakler ein Haus verkauft und Ihnen dabei einen Standard-Vertrag vorschlägt, sollten Sie so klug sein und nachsehen, ob die Firma selbst denselben Vertrag benutzt, wenn sie
ihrerseits
ein Haus kauft. Drei Negativbeispiele: der Nahe Osten, Nordirland, Zypern; dort wird zwar von einer Vielzahl von Leuten die Selbstbestimmung als Fundamentalrecht reklamiert – aber sie selbst verweigern eben dieses Recht zahlreichen ihrer Mitbürger.
    Faire Verfahrensweisen
    Um Ergebnisse zu erzielen, die unabhängig vom Willen der Beteiligten sind, kann man die fairen Kriterien sowohl für die Inhalte wie auch für die Verfahrensweise zur Abstimmung der sich widersprechenden Interessen anwenden. Nehmen Sie zum Beispiel die uralte Methode, ein Stück Kuchen zwischen zwei Kindern zu teilen: Das eine zerschneidet den Kuchen, das andere darf sich ein Stück auswählen. Keines der beiden kann sich über eine ungerechte Teilung beklagen.
    |127| Diese einfache Vorgehensweise wurde bei den Seerechtsverhandlungen benutzt – eine der kompliziertesten Verhandlungen, die es je gab. Die Verhandlungen waren an dem Punkt festgefahren, wo es Streit um die Zuweisung der Schürfrechte in der Tiefsee gab. Unter den Bedingungen des vorläufigen Abkommens sollte die Hälfte der Schürfplätze von privaten Gesellschaften und die andere Hälfte von der »Enterprise«, einer Bergwerksgesellschaft im Besitz der Vereinten Nationen, belegt werden. Da die privaten Minengesellschaften der reichen Nationen die Technologie und auch das »Know-how« zur Wahl der besten Schürfplätze hatten, fürchteten die ärmeren Nationen, dass die weniger gut ausgestattete »Enterprise« schlecht abschneiden würde.
    Die Lösung sah dann vor, dass eine private Schürfgesellschaft der »Enterprise« jeweils zwei mögliche Abbauplätze vorschlagen sollte. »Enterprise« sollte den einen für sich wählen und der anderen Gesellschaft eine Lizenz zum Abbau des anderen gewähren. Da die Privatgesellschaft ja die Wahl von »Enterprise« nicht kennt, wird sie wohl allen Grund haben, beide Schürfplätze in aussichtsreicher Lage zu wählen. Durch diese ganz einfache Prozedur wurde die größere Erfahrung der privaten Gesellschaften zu beiderseitigem Vorteil genutzt.
    Eine Variante des Verfahrens »der eine schneidet, der andere wählt« besteht darin, dass die Parteien zuerst darüber verhandeln, was sie jeweils für ein faires Arrangement halten, ehe sie sich für spezifische Rollen entscheiden. In der Auseinandersetzung über das Sorgerecht bei Kindern sollten sich die Eltern beispielsweise zuerst über die Besuchsmodalitäten und -häufigkeiten des anderen Partners einigen. Das gibt beiden den Ansporn zu einer fairen Besuchsregelung.
    Denken Sie bei den Verfahrensvorschlägen immer an alle möglichen Arten zur Beilegung von

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