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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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Einklang, ist es auch weniger angreifbar. Wenn ein Mietvertrag |123| Standardbedingungen enthält oder ein Kaufvertrag mit der industriellen Praxis übereinstimmt, ist das Risiko geringer, dass einer der Verhandlungspartner sich schlecht behandelt fühlt oder später das Ganze revidieren möchte.
    Fortwährender Kampf um die Oberhand bedroht die Beziehungen. Sachbezogenes Verhandeln dagegen schützt sie. Man kommt mit den Leuten viel besser aus, wenn beide Seiten objektive Kriterien zur Lösung des Problems diskutieren, als wenn man den anderen zum Nachdenken zwingen will.
    Strebt man eine Übereinkunft durch die Diskussion objektiver Kriterien an, so vermindert man auch die Anzahl der Bindungen, die jede Seite zuerst einmal eingeht und dann wieder abbauen muss, um sich auf eine Lösung zuzubewegen. Beim Feilschen um Positionen verbringen die Verhandlungspartner viel Zeit mit der Selbstverteidigung und mit dem Angriff auf die Gegenseite. Wer stattdessen objektive Kriterien verwendet, nutzt normalerweise seine Zeit effektiver durch Gespräche über mögliche Prinzipien und Lösungen.
    Unabhängige Kriterien wirken sich noch viel entscheidender aus, wenn mehr als zwei Parteien im Spiel sind. In solchen Fällen ist das Feilschen um Positionen ganz besonders schwierig. Das erfordert nämlich Koalitionen unter den Parteien; und je mehr Parteien einer Position zugestimmt haben, um so schwieriger wird es, diese wieder zu verändern. Dementsprechend werden die Einnahme und die Veränderung von Positionen besonders zeitraubend und schwierig, wenn jeder Verhandlungspartner vor der Annahme einer Position mit dem Auftraggeber Rücksprache halten muss oder Vorgesetzte zur Klärung der Sachlage aufsuchen muss.
    Eine Episode aus der Seerechtskonferenz illustriert die Vorteile der Verwendung objektiver Kriterien. An einem bestimmten Punkt schlug Indien, als Vertreter der Dritten Welt, eine Vorauszahlung für Gesellschaften zur Erschließung der Meeresbodenschätze von 60 Millionen Dollar pro Schürfplatz vor. Die Vereinigten Staaten wiesen den Antrag zurück. Sie wollten keinerlei Vorauszahlung. |124| Beide Seiten beharrten auf ihrem Standpunkt. Die Sache wurde zur Frage der Willensstärke.
    Dann bemerkte jemand, dass das »Massachusetts Institute of Technology« (MIT) ein ökonomisches Modell für den Bergbau auf dem Meeresgrund entwickelt hatte. Dieses Modell wurde nach und nach von den Parteien als objektiv anerkannt und sah eine bestimmte Art der Bewertung jeder einzelnen Schürfung vor. Der indische Delegierte erkannte, dass die in seinem Vorschlag vorgesehene, für viele schockierende Vorauszahlung – die fünf Jahre vor jeder Rendite hätte beglichen werden müssen – möglicherweise den Abbau für jede Minengesellschaft unmöglich gemacht hätte. Beeindruckt gab er seine Position auf. Andererseits wurden durch die MIT-Studie auch die amerikanischen Delegierten aufgeklärt, die bisher ihre Informationen nur sehr eingeschränkt durch die Bergwerksgesellschaften bezogen hatten. Das MIT-Modell belegte, dass eine Vorabzahlung auf jeden Fall möglich sein musste. Als Ergebnis änderten auch die USA ihre Position.
    Niemand musste nachgeben. Keiner erschien als der Schwächere – sondern nur als vernünftig. Nach langer Verhandlung erreichten die Parteien ein vorläufiges Abkommen, das für alle Seiten befriedigend war.
    Das MIT-Modell vergrößerte die Chance zu einer Übereinkunft und senkte das teure Schachern um Positionen. Es führte zu einer besseren Lösung, die sowohl die Gesellschaften zum Abbau anlocken wie auch beträchtliche Einnahmen für die Nationen der Welt schaffen würde. Das Vorhandensein eines objektiven Modells zur Prognose der Konsequenzen aller Vorschläge erleichterte die Überzeugung der Parteien, dass sie ein faires vorläufiges Abkommen gefunden hatten. Im Lauf der Zeit erzeugte das Modell engere Beziehungen zwischen den Verhandlungspartnern und machte es wahrscheinlicher, dass die Übereinkunft auch über das Versuchsstadium hinaus dauerhaft sein würde.
    |125| Die Entwicklung objektiver Kriterien
    Wenn man sachbezogen verhandelt, stellen sich zwei Fragen: Wie kann man objektive Kriterien entwickeln? Und wie verwendet man sie beim Verhandeln?
    Welche Verhandlungsmethode Sie auch verwenden – Sie tun gut daran, sich die Sache vorher zu überlegen. Das ist jedenfalls beim sachbezogenen Verhandeln richtig. Entwickeln Sie also vorher einige alternative Kriterien und durchdenken Sie Ihre Anwendung für den

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