Das Harvard-Konzept
persönlich angreift – wie das häufig geschieht –, dann sollten Sie der Versuchung widerstehen, sich zu verteidigen oder Ihrerseits die Gegenseite anzugreifen. Lehnen Sie sich |160| statt dessen in Ihrem Stuhl zurück und gestatten Sie den anderen, ihren Dampf abzulassen. Hören Sie ihnen zu, zeigen Sie, dass Sie sie verstehen, und lenken Sie danach die persönlichen Angriffe auf eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Problem. »Sie sagen, dass ein Streik zeigt, wie wenig wir uns um die Firmenbelange kümmern. Ich ersehe daraus, dass es Ihnen um das Wohl der Firma geht. Sie dürfen sicher sein, dass wir diese Sorge gemeinsam haben. Und darum möchten wir den Ausstand auch so schnell wie möglich beenden, damit wir weiterarbeiten können. Was also können wir gemeinsam unternehmen, damit wir baldigst ein Übereinkommen erreichen?«
Stellen Sie Fragen und nutzen Sie auch die Macht des Schweigens
Beim Verhandlungs-Judo verwendet man zwei grundlegende Mittel. Erstens verwendet man Fragen anstelle von Statements. Statements provozieren Widerstand, Fragen dagegen Problemlösungsvorschläge. Fragen gestatten der Gegenseite, ihre Absichten zu überprüfen, und ermöglichen Ihnen, sie zu verstehen. Sie stellen Herausforderungen dar und leiten die Partner an, sich dem Problem zu stellen. Sie bieten keine Gelegenheit zur Verweigerung und keine Zielscheibe für Angriffe. Fragen kritisieren nicht, sondern erziehen. »Meinen Sie, es wäre für alle besser, wenn sich die Arbeiter am Entscheidungsprozess beteiligt fühlen, oder wenn sie meinen, dass ihre Anliegen nicht berücksichtigt werden, weil man ihnen die Anordnungen einfach diktiert?«
Schweigen ist eine Ihrer besten Waffen. Benutzen Sie es. Wenn die Gegenseite einen unvernünftigen Vorschlag gemacht oder Sie in ungerechtfertigter Weise angegriffen hat, bleiben Sie am besten sitzen und sagen kein Wort.
Wenn Sie eine angemessene Frage gestellt haben und die anderen haben nur unzureichend geantwortet, warten Sie einfach. Die |161| meisten Menschen fühlen sich unbehaglich, wenn alles schweigt, ganz besonders, wenn sie selbst am Wert dessen zweifeln, was sie gerade gesagt haben. Der Verbandssprecher sagt: »Warum sollen die Arbeiter bei Entlassungen nicht mitsprechen dürfen?« Der Delegierte der Firma darauf: »Entlassungen sind ausschließlich Sache der Geschäftsleitung. Gut, die Arbeiter haben natürlich ein Interesse an der Frage der Entlassungen, aber sie haben ja wohl nicht den Überblick darüber, was Not tut. Ich möchte damit sagen.«
Schweigen vermittelt den anderen oft den Eindruck, als sei nun alles festgefahren, und sie fühlen sich irgendwie gedrängt, diese Situation zu überwinden (Ihr Schweigen zu brechen), indem sie doch noch Ihre Frage beantworten oder einen Vorschlag bringen. Am besten machen Sie nach jeder Frage eine Pause. Lassen Sie sie nicht entwischen, indem Sie gleich eine neue Frage stellen oder einen Kommentar zur vorangegangenen abgeben. Sie werden manchmal dann am erfolgreichsten verhandeln, wenn Sie schweigen.
Das Ein-Text-Verfahren
Wahrscheinlich werden Sie Dritte anrufen, wenn Ihre eigenen Versuche, das Spiel vom Feilschen um Positionen zum sachbezogenen Verhandeln umzuwandeln, fehlgeschlagen sind. Das nun entstehende Problem soll durch die einfache Geschichte von einem Ehepaar, das ein Haus zu bauen plant, illustriert werden.
Die Frau stellt sich ein zweigeschossiges Haus mit offenem Kamin und einem Erker vor. Der Mann stattdessen denkt eher an ein modernes Haus im ländlichen Stil mit Hobbyraum und einer Garage, in der man viel lagern kann. Während die beiden miteinander verhandeln, gibt es eine Menge Fragen, etwa: »Wie stellst du dir das Wohnzimmer vor?« und: »Möchtest du das unbedingt so haben?« Indem jeder dem anderen ständig antwortet, kommen am Ende zwei getrennte und voneinander verschiedene Pläne heraus, die völlig festgelegt sind. Nun beauftragen beide jeweils einen Architekten, zuerst |162| einen ganz allgemeinen und danach einen detaillierteren Plan auszuarbeiten – und graben sich dabei immer mehr in ihre jeweilige Position ein. Wenn die Frau ihren Mann bittet, doch nicht so unflexibel zu sein, reagiert er damit, dass er seine Garage um zwanzig Zentimeter kleiner projektieren lässt. Umgekehrt beantwortet seine Frau die Bitte um Konzessionen damit, dass sie mit dem Wegfall einer Säulenveranda einverstanden ist – die aber sowieso auf ihrem Plan gar nicht eingezeichnet war. Jeder kämpft nun um seine
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