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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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nicht an Ottos, der doch euer Lehnsherr ist? Doch er war zuversichtlich, dass Gerberga und Giselbert genau wussten, was ihm durch den Sinn ging.
    Der Verdacht bestätigte sich, als Giselbert den Spieß umdrehte und sich scheinbar beiläufig erkundigte: »Sind die Feierlichkeiten in Quedlinburg schon vorüber?«
    Henning hob vielsagend die Schultern, steckte sich ein Stück Brot in den Mund und erwiderte kauend: »Ich musste sie dieses Jahr leider versäumen.«
    »Du hast dich nicht mit Otto überworfen, hoffe ich?«, fragte Gerberga besorgt.
    Henning schüttelte den Kopf. »Mit Otto kann man sich nicht überwerfen. Er ist einfach zu gütig dafür.«
    Judith legte die Hand vor den Mund, als läge ihr daran, ihr Kichern zu verbergen.
    »Ich habe es dennoch vorgezogen, Weihnachten mit meinen Freunden zu begehen, nicht mit seinen«, fügte Henning hinzu. »Ich war in Saalfeld.«
    Giselbert sah zu den drei jungen sächsischen Edelleuten hinüber, die Henning hierher begleitet hatten. Er blinzelte, als habe er Mühe, sie auszumachen. Das war kein Wunder, denn für das Dreikönigsfest war die Halle spärlich, geradezu geizig beleuchtet. Doch auch wenn Giselberts gestriegelter Schopf weiß und sein Rücken krumm geworden sein mochten, waren seine Augen offenbar ungetrübt, denn er murmelte: »Harzgau, Balsamgau und Nethegau. Ich merke, du wählst deine Freunde mit Klugheit aus, mein Junge.«
    »Klugheit ist eine von Hennings schönsten Tugenden«, warf Judith ein, ehe ihr Gemahl seinem Schwager ob der respektlosen Anrede an die Gurgel gehen konnte.
    »Daraus hat er letzten Sommer aber ein gut gehütetes Geheimnis zu machen verstanden«, konterte Giselbert mit nachsichtigem Spott.
    Henning biss in die Wachtel, ließ die kleinen Vogelknochen zwischen den Zähnen krachen und wünschte, es wären Giselberts.
    »Denkt Ihr wirklich?«, fragte Judith kühl. »Ich würde sagen, Henning ist auf jeden Fall besser aus dieser unseligen Geschichte herausgekommen als Thankmar.«
    Henning beäugte seine beiden Schwestern aus den Augenwinkeln. Hadwig hatte den Kopf gesenkt und bekreuzigte sich. Gerberga saß so aufrecht, als habe sie eine Lanze verschluckt, und starrte auf eine der rußenden Fackeln, während eine Träne über ihre Wange perlte.
    »Oder Euer Bruder, der vertriebene Herzog von Bayern?«, stichelte Giselbert weiter.
    Otto war im Herbst mit einer Streitmacht nach Bayern gezogen und hatte Judiths dämlichen Bruder kurzerhand davongejagt. Es war nicht einmal besonders viel Blut geflossen. Bayern war dem König in die Hand gefallen wie ein reifer Apfel vom Baum. Und Otto hatte ein gutes Stück von diesem Apfel abgebissen und den Reichsgütern zugeschlagen, ehe er den angenagten Rest an den neuen Herzog verlieh. Nicht an Henning – obwohl dem die Herzogswürde schon allein aufgrund der Ehe mit Judith zugestanden hätte –, sondern an Judiths zahmen Onkel Berthold, der willig das Knie vor Otto gebeugt hatte …
    Giselberts Gehässigkeit schien Judith nicht anzufechten. »Ein jeder Reichsherzog ist gut beraten, seine Lehren daraus zu ziehen, glaubt Ihr nicht, Schwager?«
    Giselbert wandte den Kopf und studierte ihr Gesicht, als versuche er zu ergründen, wie genau sie das gemeint hatte. Dann lachte er brummelnd in sich hinein, hob ihr den Silberpokal entgegen und sagte: »Darauf trinke ich, Herzchen.«
    Henning fand sie in einer Vorratskammer. Irgendwie fand er sie immer, so als hätte er einen sechsten Sinn dafür. Und fast schien es, als hätte diese hier ihn erwartet, denn sie stand mit dem Rücken zur Tür über einen breiten Tisch gebeugt und versuchte, mit der ausgestreckten Hand einen Tontopf zu erreichen.
    Henning verharrte einen Moment und betrachtete sie mit Wonne. Unter dem dünnen Rock malte sich ein wohlgeformtes Hinterteil ab, und weil sie sich so weit vorreckte, war der Kleidersaum nach oben gerutscht, was ihm freien Blick auf ihre hinreißenden Waden bescherte. Trotz der Eiseskälte und ellenhohen Schneedecke draußen waren ihre Füße nackt. Ein Sklavenmädchen, schloss er. Umso besser. Nicht dass es ihn abgehalten hätte, wäre sie eine Freie gewesen. Henning machte keine Unterschiede. Er war der Bruder des ostfränkischen Königs und konnte sich leisten, zu nehmen, was immer er wollte.
    Er machte einen lautlosen Schritt auf sie zu und schlang die Arme um sie.
    Das Mädchen schrie erschrocken auf, und die roten Locken flogen, als sie versuchte, über die Schulter zu sehen. Als sie ihn erkannte, weiteten sich

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