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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ich das richtig verstanden hab, müssen die alle kommen, um ihren Treueschwur an den König zu erneuern, und zur Belohnung kriegen sie einen Festschmaus. Und dann will König Heinrich …« Er brach abrupt ab, und von einem Lidschlag zum nächsten war sein ganzer Körper angespannt.
    Tugomir wandte den Kopf und war nicht überrascht, Udo auf sich zustapfen zu sehen. Der vierschrötige Soldat war Geros Mann fürs Grobe, hatte Tugomir inzwischen gelernt – falls es denn irgendetwas gab, das Gero zu »grob« erschien, um es selbst zu erledigen. Auf jeden Fall war man gut beraten, sich vor Udo zu hüten.
    »Komm mit mir, Prinz«, sagte er und starrte auf einen Punkt irgendwo hinter Tugomirs Schulter. Sein Gebaren war eigenartig: der Ton ruppig wie üblich, die Anrede ungewohnt höflich, die Miene geradezu unsicher. Statt seines Helms trug er einen dieser sonderbaren Strohhüte, die sich bei den Sachsen so großer Beliebtheit erfreuten und die der Grund dafür waren, warum die Slawen ihre ungeliebten Nachbarn westlich der Elbe gern »Strohköpfe« nannten. Tugomir erinnerten diese sonderbaren Kopfbedeckungen immer vage an Brotkörbe, und selbst einem Wüterich wie Udo verliehen sie beinah etwas Putziges.
    Tugomir drückte Semela das Brot in die Finger und stand aus dem langen Gras auf. »Wohin?«
    Udo legte ihm wortlos die Hand auf den Arm und drehte ihn um. Tugomir wechselte einen raschen Blick mit Semela, der ratlos die Achseln zuckte, dann schritt er neben Udo zwischen den strohgedeckten Grubenhäuschen einher, die um die Wiese mit dem Fischteich standen und die Palisade säumten. Immer noch schweigend umrundeten sie die Schmiede und das Backhaus, ließen die Kapelle und die Halle des Königs rechterhand liegen und gelangten zum Haupttor der Pfalz – zwei Flügeln aus dicken Eichenstämmen, die jetzt vor Sonnenuntergang noch weit offen standen, aber von zwei Mann bewacht wurden.
    »Augenblick.« Tugomir blieb stehen und befreite sich mit einem beiläufigen Ruck von Udos Klammergriff. »Wohin gehen wir? Gero hat gedroht, für jeden Schritt, den ich aus diesem Tor gehe, werde er einem der Daleminzerkinder den Kopf abschlagen. Du hast es mir ausgerichtet.«
    Udo wischte den Einwand mit einer ungeduldigen Geste beiseite. »Das regle ich mit ihm. Jetzt komm endlich. Es ist gleich da vorn.« Und den Wachen bedeutete er mit einem Nicken, dass alles seine Richtigkeit habe.
    Tugomir hatte kein gutes Gefühl dabei, aber ihm blieb nicht viel anderes übrig. Er folgte Udo ein kurzes Stück die staubige, von Holzhäusern gesäumte Straße hinab. Die Tür des vierten oder fünften auf der linken Seite stand offen, und noch ehe er eintrat, hörte Tugomir das bellende, krampfhafte Husten eines Kindes.
    Selbst der untersetzte Udo musste den Kopf einziehen, um nicht an den Türsturz zu stoßen, und er brachte seinen Begleiter in eine dämmrige Hütte, die mit einer Frau und zwei Kindern schon gut gefüllt war. Das jüngere der Kinder, ein vielleicht fünfjähriger Junge, lag auf einem fellbedeckten Lager, das ungefähr ein Viertel des Raumes einnahm und vermutlich der ganzen Familie als Schlafstatt diente. Die Mutter hatte den Kleinen halb aufgerichtet und wiegte ihn, aber der Husten wurde schlimmer. Die großen nussbraunen Augen glänzten fiebrig. Der Blondschopf war verschwitzt und zerzaust, und das Kind war sehr mager. Während es hustete und hustete und verzweifelt um Atem rang, fing seine Schwester, die kaum älter als sechs sein konnte, an zu heulen.
    »Seit gestern geht das so«, sagte Udo heiser. »Letzte Nacht hab ich ein paarmal gedacht, er erstickt uns.«
    »Dein Sohn?«, fragte Tugomir verblüfft. Bis zu diesem Augenblick hätte er sich den vierschrötigen Soldaten, der so gern die Fäuste schwang, niemals als treusorgenden Familienvater vorstellen können.
    Udo nickte. »Du hast Bruder Waldereds Augenleiden geheilt. In der ganzen Pfalz reden sie darüber. Also hilf meinem Kind. Und mir ist scheißegal, wenn du Zauberformeln aufsagst, von denen die Pfaffen nichts halten. Mein Vater hat immer gesagt, alles wäre besser, wenn wir die alten Götter noch hätten und …«
    »Udo!«, jammerte sein Weib. »Hör mit dem gottlosen Gerede auf, sonst nimmt der Herr ihn uns erst recht …« Sie schluchzte und wiegte ihren Sohn heftiger als zuvor. Das Kind fing an zu röcheln und lief purpurrot an.
    Udo presste die linke Hand vor den Mund und murmelte undeutlich. »Tu irgendetwas, Prinz Tugomir. Bitte …«
    Sieh an, auf einmal

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