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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ihr Kind Schutz zu finden. Es war nur ein verdammtes Mädchen geworden, aber trotzdem wusste Henning, dass er ihre Sicherheit nicht aufs Spiel setzen durfte. Also hatte er seiner Frau befohlen, nach Bayern zu gehen, und jetzt war er ihr so böse, weil sie auf ihn gehört hatte, dass er erwog, die kleine Schlampe zu behalten und Judith vorzuführen. Judith konnte rasend eifersüchtig sein. Der Gedanke an ihren Wutausbruch entlockte ihm ein Lächeln. Das würde sie lehren, ihren Gemahl und Herrn in Zukunft nicht wieder im Stich zu lassen …
    Miltraud kniete sich hinter ihn und schlang die Arme um seine Brust. »Kommst du wieder, bevor du über den Fluss gehst?«
    Unwillig befreite er sich aus ihrer Umklammerung und stand auf. »Nein. Eigentlich sollte meine Beute längst verladen sein – also auch du. Zieh dich an und mach dich bereit. Ich schicke dir eine Wache.«
    Sie schlug die Augen nieder. »Wie du wünschst, Herr.« Sie hatte ein unfehlbares Gespür dafür, wann sie fügsam sein musste, um keinen Schaden zu nehmen.
    Henning stieg in die Kleider, legte das Schwertgehenk um und warf sich den Mantel über die Schultern. Das elende Regenwetter war vorüber, und die Sonne glitzerte auf dem Wasser des Rheins, doch ein kalter Wind fegte von der Eifel herüber.
    Henning durchquerte das Lager mit langen Schritten. Alles befand sich in Auflösung: Zelte wurden abgebaut und verstaut, Kisten und Fässer und Waffen auf Esel und Karren geladen, die alles zum Ufer schaffen sollten.
    Vor Eberhards Zelt hielt Henning zwei Soldaten an: »Lasst hier alles stehen und liegen und kümmert euch um meine Beute und meine Sklavin. Bringt sie schon mal ans andere Ufer.«
    »Immer eins nach dem anderen«, brummte einer der beiden, ein vierschrötiger Kerl mit rötlichem Bart. »Erst mal sind Herzog Giselberts Sachen an der Reihe, und dann …«
    Mit einem verbindlichen Lächeln legte Henning ihm die Hand auf die Schulter, zog den Dolch aus der Scheide und rammte ihn dem Mann ins rechte Auge. Bis zum Heft. Der Geblendete ging mit einem Keuchen zu Boden, seine Arme und Beine zuckten wie bei einem aufgespießten Käfer, und dann lag er still.
    Henning bückte sich, zog seinen Dolch heraus und wischte ihn am Ärmel des Toten ab. Dann richtete er sich wieder auf und fragte den zweiten Soldaten: »Wärst du so gut?«
    »Sofort, mein Prinz!«
    »Wärmsten Dank.« Er wandte sich ab, schlug die Felldecke zurück, die den Eingang versperrte, und trat in Eberhards geräumiges Zelt.
    »Was war da draußen los?«, fragte der Herzog von Franken.
    »Gar nichts«, erwiderte Henning achselzuckend und schenkte sich einen Becher Wein ein. »Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einem deiner unverschämten Hessen, das war alles.«
    Eberhard runzelte die Stirn.
    »Nimm Platz, Henning«, lud Giselbert seinen jungen Schwager ein. »Nur Pökelfleisch und durchweichtes Brot, fürchte ich, aber wenn wir klug sind, ist der Krieg ja bald vorüber.«
    Henning griff zu und begann zu essen. »Und was heißt, ›wenn wir klug sind‹?«, fragte er, den Mund so voll, dass beide ihn verständnislos anschauten. Er kaute, schluckte und wiederholte seine Frage.
    »Darüber sind wir noch geteilter Auffassung«, räumte Giselbert ein und fuhr sich mit der Rechten über den gestriegelten Schopf. Es war eine nervöse Geste. »Eberhard meint, wir sollten mit den Männern, die wir jetzt haben, zurück nach Süden ziehen und Otto in den Rücken fallen.«
    »Die Moral seiner Truppen ist miserabel, berichten unsere Späher«, fügte Eberhard hinzu. »Jede Nacht desertieren Dutzende seiner Soldaten, und die sächsischen Grafen wollen nur noch nach Hause, seit sie gehört haben, dass wir in Sachsen plündern.«
    »Trotzdem bin ich der Meinung, wir sollten uns nach Lothringen zurückziehen«, sagte Giselbert. »Die Kriegssaison ist fast vorbei, der Winter kommt. Das gibt uns ein halbes Jahr, um neue Truppen auszuheben, und nächstes Frühjahr versetzen wir Otto den Todesstoß.«
    »Otto wird den Winter auch nicht ungenutzt verstreichen lassen«, widersprach Henning. »Wir müssen ihn jetzt erledigen, da er am Boden liegt. Solch eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder, glaubt mir.«
    »Guter Junge«, brummte Eberhard in seinen Becher.
    Henning schlug ihn ihm aus der Hand. »Ich glaube, es wird allmählich Zeit, dass du mir ein bisschen mehr Respekt erweist«, sagte er. Er versuchte, seine Drohung in maßvollem Ton auszusprechen, mit einem Lächeln gar, so wie Otto es getan

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