Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
König. »Es führt zu nichts, wenn wir uns gegenseitig die Taten unserer Brüder oder Söhne vorwerfen.«
Giselbert und Henning waren mit unbekanntem Ziel aus Breisach abgezogen. Und genau wie seine Kommandanten lag Otto nachts wach und fragte sich, wohin sie sich wenden und was sie dort anrichten würden.
Gottvertrauen und Zuversicht waren in der Vergangenheit immer Ottos zuverlässigste Verbündete gewesen, aber dieses Mal drohten beide ihn im Stich zu lassen. Editha hatte ihn äußerst kühl verabschiedet, denn sie hatte ihm nicht verziehen, dass er ihre Zofe hatte aufhängen lassen – im Hof der Pfalz zu Quedlinburg, damit seine Mutter auch sah, was sie zu verantworten hatte. Natürlich verstand Editha, wie schwer Gundulas Vergehen wog. Sie verstand auch, dass der König ein Exempel statuieren musste, damit der nächste Spion, den die Königinmutter oder Henning anheuern wollten, es sich zweimal überlegte. Und trotzdem. Editha hatte ihn um Gnade für Gundula gebeten, doch er war unerbittlich geblieben. Genau wie Gundula einst um Gnade für ihren Vater gebeten hatte und er unerbittlich geblieben war. Hatte er damit Gottes Zorn auf sich gezogen? Ein König musste hart sein, um herrschen zu können. Aber ein König musste auch gnädig sein. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden …
Gestern hatte Bischof Ruodhard von Straßburg seine Zelte abgebrochen und war mit seinen Truppen abgezogen. Otto war sich nicht schlüssig, ob der Bischof einfach den Glauben an ihren Sieg verloren oder sich von Giselbert oder Eberhard hatte kaufen lassen, jedenfalls hatte dieser Akt der Königsverlassung jeden Mann im Lager erschüttert: Vom einfachen Soldaten über die adligen Kommandanten bis hin zum König selbst fragten sich alle, ob der Abfall des Bischofs ein böses Omen war. Ob Gott sich von seinem auserwählten König abgewandt hatte.
Udo kam hereingestapft, und seine Stiefel verursachten schmatzende Geräusche im Schlamm. »Der Erzbischof ist zurück, mein König«, meldete er.
Otto richtete sich auf seinem Scherenstuhl auf. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. »Dann bring ihn her.«
Udo verneigte sich schniefend und verschwand. Er hatte sich weitgehend erholt und entrüstet protestiert, als der König ihm vorgeschlagen hatte, in Magdeburg zu bleiben. Aber jetzt litt er an einer hartnäckigen Erkältung, und in seinen kleinen Augen lag ein fiebriger Glanz. Udo kam in die Jahre, war Otto aufgegangen.
Mit einem ehrerbietigen Diener führte der alte Haudegen den Erzbischof von Mainz in das königliche Zelt. Der Geistliche verneigte sich vor Otto und verkündete mit einem strahlenden Lächeln: »Der Herzog von Franken hat Einsicht gezeigt, mein König!«
»Ihr wart erfolgreich?«, fragte Hermann von Schwaben erstaunt. »Vergebt mir, ehrwürdiger Bischof, aber darauf hatte ich kaum zu hoffen gewagt.«
Der junge Erzbischof Friedrich schaffte es nicht ganz, seinen Stolz zu verbergen. Der König hatte ihn als Unterhändler zu Eberhard von Franken geschickt, um dem die Aussichtslosigkeit seiner Lage zu veranschaulichen, aber Otto musste zugeben, er war selbst überrascht, dass es gefruchtet hatte.
»Was hat Eberhard gesagt?«, fragte er gespannt.
»Er empfing mich mit großer Gastfreundschaft und allen Ehren«, berichtete Friedrich, nahm auf einem Schemel Otto gegenüber Platz, und als Herzog Hermanns Vetter Konrad ihm einen gut gefüllten Becher heißen Wein reichte, legte er dankbar die Hände darum. »Es sah mir offen gestanden nicht so aus, als würden seine Vorräte bereits knapp.«
»Und trotzdem will er sich ergeben?«, fragte Manfried skeptisch.
»Nun, ergeben ist vielleicht nicht das treffende Wort«, schränkte Friedrich ein, blies über seinen Wein und trank genüsslich einen Schluck, offenbar ohne die plötzliche Stille im Zelt zu bemerken.
»Wie darf ich das verstehen?«, fragte Hermann von Schwaben.
Friedrich schlug die Beine übereinander, stellte den Becher auf sein Knie und sah zu ihm hoch. »Herzog Eberhard von Franken ist bereit, sein Bündnis mit Giselbert von Lothringen und Prinz Henning aufzukündigen, aus Breisach abzuziehen und sich dem König zu unterwerfen.«
»Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor …«, höhnte Hermann. »Und was will er dafür?«
»Das, was er immer wollte«, antwortete Friedrich und hob die schmalen Schultern. »Die uneingeschränkte Herzogsmacht über Franken ohne
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