Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
bebte unter dem Hufschlag der heranpreschenden Panzerreiter, die ein Kampfgebrüll anstimmten, von dem einem das Blut in den Adern stocken konnte, alle im selben Moment, so als brüllten sie aus einer einzigen gewaltigen Kehle.
Hennings Pferd scheute, und um ein Haar wäre er ins Gras gesegelt. Dann hatten die Schwaben sie erreicht. Henning hob die Waffe. Er führte sie mit der Linken, denn sein rechter Arm taugte seit der Verletzung von Birten nicht mehr viel. Doch hatte Henning keine Gelegenheit ausgelassen, mit seinen drei Freunden zu trainieren, und erst letzte Woche hatte selbst der grimmige Wiprecht bemerkt, der Prinz sei ein gefährlicher Linkshänder geworden. Heute bekam er Gelegenheit, seine neue Schwertkunst im Ernstfall zu erproben, und er trieb die Klinge dem ersten Gaul, der in seine Reichweite kam, in die Flanke. Von einem Herzschlag zum nächsten war er zwischen feindlichen Reitern eingekeilt, der Gestank von Schweiß und Stahl und Pferd nahm ihm fast die Sinne. Es war seine erste richtige Schlacht, denn bislang hatte Henning es immer vorgezogen, im Hintergrund zu bleiben und anderen das blutige Geschäft zu überlassen. Doch hier waren die Schwaben so plötzlich über sie hereingebrochen, dass ihm keine Wahl blieb, und so hieb er auf alles ein, was sich bewegte. Bei jedem Streich stieß er einen gellenden Schrei aus, weil er jeden Moment damit rechnete, eine Klinge im Rücken zu spüren.
Pferde schnaubten und wieherten, die Luft war erfüllt vom hellen Klang der Schwerter und dem Schmettern der Hörner. Der Lärm war unfassbar, die Schreie der Verwundeten gingen beinah darin unter.
Henning riss sein Pferd nach links, ließ es einmal um die eigene Achse gehen, um sich ein wenig Platz zu verschaffen, und kreuzte dann die Klingen mit einem langen Kerl, dessen Segelohren grotesk unter seinem Helm abstanden. Sein Gegner war voll gerüstet, aber er hatte seine Lanze verloren und war kein guter Schwertkämpfer. Ohne große Mühe fand der Prinz eine Lücke in seiner Deckung, schlängelte sein Schwert am Bein entlang unter den Kettenpanzer und rammte es ihm in die Weichteile. Segelohr kreischte wie ein Mädchen, rutschte nach rechts aus dem Sattel und geriet seinen Kameraden unter die Hufe.
Sofort drängten zwei neue Gegner auf Henning ein. Der vordere verbarg sich hinter einem Rundschild, aber der Prinz schaffte es, seinen Gaul mit einem Stoß in die Kehle zu fällen. Der nächste hatte die Lanze gehoben und hätte ihn erwischt, wäre Wiprecht nicht plötzlich zur Stelle gewesen, der dem Schwaben mit einem eleganten Hieb den Arm samt Lanze vom Rumpf trennte.
»Wie steht es?«, brüllte Henning seinem Freund zu.
Wiprecht deutete ein Kopfschütteln an. »Folgt mir, mein Prinz!«
»Wohin?«
Wiprecht antwortete nicht, sondern machte einen der schwäbischen Bannerträger nieder. Er bewegte sich auf ungeradem Kurs nach links und nach hinten. Das sah ihm nicht ähnlich. Während Henning einer Lanze auswich und den Träger mit einem Tritt aus dem Sattel beförderte, verfolgte er den verstohlenen Rückzug seines Freundes aus dem Augenwinkel. Dann war Hildger plötzlich an seiner anderen Seite, griff ihm ohne ein Wort in die Zügel und zerrte sein Pferd herum.
»Was tust du?«, fragte Henning entgeistert.
»Wir haben es Eurer Mutter geschworen, Prinz« war alles, was Hildger sagte.
Nur halbherzig kämpfte Henning um die Rückeroberung seiner Zügel, und seine Stimme hatte keine Überzeugungskraft, als er sagte: »Dafür werd ich dich aufknüpfen, du Schuft!«
Hildger sah ihm kurz in die Augen. »Falls wir lange genug leben.«
Als sie aus dem dichten Kampfgetümmel heraus waren, sah Henning, was seine Freunde nicht auszusprechen gewagt hatten: Die Schlacht war verloren.
Mehr als die Hälfte ihrer vielleicht drei- oder vierhundert Männer, die noch am hiesigen Ufer gewesen waren, lag tot oder sterbend im aufgewühlten Schlamm. Sie waren bestenfalls halb gerüstet und auf einen Angriff nicht vorbereitet gewesen – sie hatten im Grunde gar keine Chance gehabt. Jetzt befand ihre kleine Armee sich in Auflösung. Wohin Henning schaute, warfen die Männer ihre Waffen von sich und flohen vom Schlachtfeld. So mancher bekam zur Belohnung für seine Feigheit eine Lanze in den Rücken.
Nur auf ihrer linken Flanke schien noch so etwas wie eine Schlachtordnung zu herrschen. Inmitten einer kleinen, dicht gedrängten Reiterschar entdeckte Henning Eberhard von Franken, der seine Männer wie einen Keil in die Reihen der
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