Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
hätte. Aber er schaffte es nicht ganz. Jedes Mal, wenn einer der Herzöge ihn wie einen Bengel behandelte, flammte der Zorn auf, der immer in ihm glomm. »Wir wollen doch nicht vergessen, dass du vor mir auf den Knien gelegen und meine Hilfe erfleht hast! Und hätte ich mich nicht bei Otto für dich verwendet, würden jetzt die Würmer an dir nagen!«
Vollkommen unbeeindruckt hob Eberhard seinen Becher aus dem Gras auf und schenkte ihn wieder voll. »Erwarte keinen Fußkuss dafür. Die Tage dieses Königs sind gezählt, also wieso fängst du ständig mit diesen alten Geschichten an?«
Ehe Henning eine hinreichend scharfe Erwiderung eingefallen war, betraten Wiprecht und Hildger das Zelt und machten der hässlichen Szene damit ein Ende. Henning blickte zum Eingang, weil Volkmar noch fehlte. Dann fiel es ihm ein. Volkmar war tot. Otto hatte ihn gefoltert, bis er starb, und ihm – Henning – damit den besten Freund genommen, den er je gehabt hatte. Weil der Prinz das einfach nicht aushielt, vergaß er es ständig, und jedes Mal, wenn er daran erinnert wurde, wollte er Otto töten. Langsam und qualvoll, so wie Volkmar gestorben war. Mit den Augen wollte er anfangen. Denn ein blinder König kann nicht herrschen …
»Die Fracht und der Großteil der Männer sind drüben«, berichtete Hildger.
Mit einem Mal verspürte Henning ein unangenehmes Kribbeln auf Nacken und Schultern. Der Großteil seiner Männer ist noch drüben , hatte Giselbert gesagt, als sie bei Birten Ottos Panzerreitern aufgelauert hatten. Jetzt ist der Moment …
Draußen erschollen Hörner.
»Was zum Henker hat das zu bedeuten?«, fragte Giselbert mit einem unwilligen Stirnrunzeln.
Eberhard von Franken war aufgesprungen. »Mein Kettenpanzer! Beeil dich!«, schnauzte er einen seiner Diener an.
»Aber Eberhard, was …«, begann Giselbert, als einer der fränkischen Grafen ins Zelt stürmte.
»Es ist Hermann von Schwaben!«, keuchte er, völlig außer Atem. »Mit einer Armee …«
Eberhard sah zu Giselbert. »Ich schlage vor, du bewaffnest dich. Falls du noch weißt, wie das geht.«
Sprachlos, die Augen weit aufgerissen, hastete Giselbert aus dem Zelt. Henning folgte ihm mit seinen beiden getreuen Schatten.
»Oh, barmherziger Gott steh uns bei …« Giselbert von Lothringen drohte die Stimme zu versagen.
Von Süden galoppierte ein Heer von Panzerreitern heran, querfeldein über die abgeernteten Äcker, die das Rheinufer säumten. Da es bis zum Vortag geregnet hatte, wirbelten sie keine Staubwolke auf, und die Sonne funkelte auf ihren Helmen und Panzern. Drei Männer ritten an ihrer Spitze, gefolgt von ihren Bannerträgern.
Und sie waren keine halbe Meile mehr entfernt.
Henning schlug Hildger auf den Arm, um ihn aus seiner Schreckensstarre zu wecken. »Die Rüstungen! Los, beeilt euch!«
»Es ist zu spät, Prinz«, widersprach Wiprecht grimmig und lockerte das Schwert in der Scheide. »Wir müssen sie nehmen, wie wir sind.«
Henning sah noch einmal zu den heranpreschenden Schwaben hinüber und erkannte, dass sein Freund recht hatte.
Eberhard von Franken kam aus seinem Zelt – voll gerüstet. Im Gehen schloss er die Schnalle seines Schwertgürtels. Er streifte die galoppierende Phalanx nur mit einem verächtlichen Blick. »Hermann von Schwaben«, brummte er kopfschüttelnd. »Mit Konrad Kurzbold und Udo von Wetterau. Meine Vettern, allesamt. Der Teufel möge ihre Seelen holen, dass sie sich gegen ihr eigenes Haus stellen …«
Er klang eher angewidert als verzweifelt, stellte Henning erleichtert fest. »Was tun wir?«, fragte er.
»Was können wir tun?«, gab Eberhard unwirsch zurück. »Wir formieren uns und drängen sie in den Fluss. Adalbert!« Er winkte einen seiner Kommandanten heran und erteilte einige präzise Befehle.
»Du bist ja nicht bei Trost«, knurrte Giselbert. »Es sind zu viele, Eberhard.« Er ruckte das Kinn zum Fluss hinüber. »Da auf der anderen Seite liegt Lothringen. Dort sind wir in Sicherheit. Lass uns übersetzen, ehe sie über uns herfallen.«
Der Herzog von Franken zog das Schwert und würdigte ihn keiner Antwort. Aber der Blick, den er Giselbert zuwarf, war so voller Verachtung, dass Henning stellvertretend Scham empfand.
Adalbert, Wiprecht und einige weitere Edelleute trieben in größter Eile die noch am hiesigen Ufer verbliebenen Soldaten zusammen. Hildger brachte Henning sein Pferd.
Dankbar nickte der Prinz ihm zu und schwang sich in den Sattel.
Zur Formation blieb keine Zeit. Die Erde
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